Eheleute Siewert
Hanni (* 1929) und Karl-Heinz Siewert (*26.09.1929 / †30.01.2020) Emilstraße, aufgeschrieben von Annemarie Heinrichs im Januar 2009.
Unsere Mutter und Schwiegermutter, Frau Schneider, war in den ersten Apriltagen 1945 an den Folgen des Krieges und der Entbehrungen hier in Westerfilde gestorben.
Zum gleichen Zeitpunkt starb ihre Schwester im Mengeder Krankenhaus. Wir wollten unseren Verstorbenen eine würdige Bestattung ermöglichen. Deshalb machten wir uns mit einem großen Handwagen, den wir von Gebhard Siebald geliehen hatten, auf den Weg zum Bestatter Quellenberg nach Mengede. Hier wollten wir zwei Särge kaufen und dann den Leichnam der Schwester vom Krankenhaus abholen. An der Dönnstraße in Mengede mussten wir umkehren, weil dort zwischen Amerikanern und Deutschen gekämpft wurde. Am nächsten Tag gelang es uns unser Vorhaben. Wir hatten die Tante im Sarg aufgebahrt. Mit unserer traurigen Fracht, der Tante in dem einen Sarg und dem anderen leeren Sarg für die Mutter, sind wir dann zurück nach Westerfilde gegangen. Unterwegs wurden wir von einem amerikanischen Soldaten kontrolliert, der auch die Särge öffnete. Der Soldat hat sich bei uns entschuldigt.
Der 07. März 1945 war ein strahlender Frühlingstag. Um zwölf Uhr mittags begann der große Bombenangriff auf Westerfilde, bei dem 72 Menschen zu Tode kamen. Ich wollte morgens mit der Straßenbahn nach Dortmund fahren. Da die Linie 5 nicht mehr fuhr, war ich zu Fuß auf dem Weg nach Kirchlinde. Von dort sollte die Bahn noch nach Dortmund fahren. Auf dem Weg dahin kamen mir vier Westerfilder Mädchen entgegen die mir sagten, dass die Kirchlinder Bahn auch nicht mehr fährt. Eines dieser Mädchen musste ich am gleichen Tag tot aus den Trümmern bergen.
Für die Bergung der vielen Verletzten und Toten wurden alle Holzleitern aus Westerfilde gebraucht. Besonders betroffen war die Westerfilder Straße, die linke Seite ab dem Rohdesdiek bis in die Emilstraße und auf der rechten Seite ab der Mosselde bis zur Emilstraße.
Am 07. April 1945 kamen die Amerikaner.
Auf der Kreuzung Emilstraße / Westerfilder Straße war ein riesiger Bombentrichter. Darin hatte sich ein deutscher Leutnant verschanzt, um mit einem Jungen (etwa 17 Jahre) die Amerikaner aufzuhalten. Ein alter Westerfilder bot dem Jungen, der aus Castrop – Schwerin kam, alte Kleider von sich an: „ Hier Junge, treck de Plünnen an, un go no Hus!“ Aber das ging dem jungen Helden gegen die Ehre. Er blieb. Später fand man seine Leiche am Westerfilder Berg.
Die Amerikaner kämpften sich von Westerfilde in Richtung Kirchlinde vor, indem sie sich „Ein-Mann-Löcher“ buddelten und von dort schossen. Im „Dreiecks-Büschchen“, einem kleinen Waldstück ,welches in der Nähe der heutigen Autobahn A 45 in Richtung. Westerfilder / Bodelschwingher Berg lag, war eine Flakstellung, allerdings ohne Geschütz, nur mit Scheinwerfern und Horchgeräten ausgestattet. In „Grollmanns Büschchen“ (heute hinter der Autobahn am Querweg zwischen Westerfilder und Bodelschwingher Berg) war ein Panzerfaust-Schießstand. Die Bauern waren alle geflohen; aber aus deren Kellern wurde geschossen.