Anmerkung zum Wirken von Pfarrer August Stöcker in seiner Pfarrgemeinde.
Otto Schmidt schreibt dazu:
Aufgeschrieben aus den Erinnerungen meines Vaters, den Erinnerungen von Gemeindemitgliedern, der mündlichen Weitergabe von Pfarrer Paul Kulka, dem alte Leute ihr Wissen erzählt hatten.
Pfarrer August Stöcker hatte ein ablehnendes Verhältnis gegenüber dem Nationalsozialismus und seiner Ideologie. In der Ortsgemeinde erlebte er, wie sehr überzeugte oder verblendete Mitglieder der NSDAP und deren Mitläufer aus Bodelschwingh, Westerfilde und Dingen bis in die Pfarrgemeinde hinein wirkten. Er wurde nicht müde, in seinen Sonntagspredigten die einfache, klare und sicher auch radikale Botschaft Jesu Christi zu verkündigen und auszulegen. Dass dies für ihn auch persönliche Konsequenzen haben könnte, war ihm dabei bewusst. So saßen im Sonntags-Gottesdienst, in Zivil oder Uniform Parteigenossen, die seine Predigt hörten und auch mitschrieben. Er hat sie auf ihr Verhalten bei der Predigt angesprochen.
Der Erzählung nach soll Pfarrer Stöcker Tage oder Wochen zur Vernehmung bei der Gestapo (geheime Staatspolizei) in Haft gewesen sein. Bekannt war, dass bei diesen Vernehmungen auch die Folter angewandt wurde. Außerdem wurden Vernommene, die frei kamen, zum Stillschweigen verpflichtet. Pfarrer Stöcker hat über seine Vernehmung nicht gesprochen.
Nach dem Hitlerdeutschland besiegt und das tausendjährige Reich nach zwölf Jahren beendet war, wendete sich das Blatt für die Mitglieder der NSDAP und auch für alle, die offen oder versteckt mit ihnen sympathisiert hatten, oder einfach nur „feige“ gewesen waren.
Not lehrt beten. So war die sonntägliche Gemeinde, trotz der vielen Gefallenen und Toten des Zweiten Weltkrieges, wieder erheblich größer geworden.
Unter den „neuen“ Gemeindemitgliedern waren auch welche gewesen, die sich aktiv oder passiv gegen den Glauben und die katholische Kirche ausgesprochen und auch ihren Mitchristen geschadet hatten. Manche von ihnen hatten noch in den letzten Kriegswochen offen von der Endabrechnung gesprochen, die den „Schwarzen“, gemeint waren die „Pfaffen und ihre Mitläufer“, präsentiert würde, wenn der Endsieg errungen sei.
Der Pfarrer hat in der schweren Zeit der NS-Diktatur und des Weltkrieges zu seiner Gemeinde gestanden. Die „plötzliche“ Bekehrung mancher Gemeindemitglieder, die den Gottesdienst jetzt wieder mitfeierten, hat er nicht verkraftet und ist daran krank geworden.
Die rechtliche Aufarbeitung des begangenen Unrechts und der Verbrechen während NS-Zeit hatte noch nicht begonnen; so war es auch in unserer Orts- und Pfarrgemeinde. Zeugnis geben zu müssen und gleichzeitig Pfarrer der „neuen, alten“ Gemeinde zu sein, das ging über die Kraft von Pfarrer August Stöcker hinaus.
So hatte er sich entschlossen, die Gemeinde zu verlassen. Nach seiner Aufschreibung in der Chronik der Kirchengemeinde wollte er der Gemeinde Maria Heimsuchung und sich selbst einen neuen Anfang und Weg in die Zukunft ermöglichen.