Das Coronavirus hat uns noch immer voll im Griff. Wir haben Ende April 2020 und es gilt noch immer eine Kontaktsperre, die ein Vereinsleben in der gewohnten Form unmöglich macht.
Zum Glück haben wir diese Webseite, über die wir trotzdem interessante Geschichten zu Ihnen / Euch transportieren können. Heute berichtet unser Chronist Otto Schmidt über das Leben des Rektors Friedrich Anton Beda Schopohl (1869-1942). Der Text geht zurück auf Schopohls eigene handschriftliche Aufzeichnungen. Lesen Sie selbst und folgen Sie dem Chronisten in einen interessanten Abschnitt Bodelschwingher Geschichte.
Aus meinem Leben
Nach den Aufzeichnungen des Rektors Friedrich Anton Beda Schopohl (1869 – 1942)
Vorbemerkung: Diese umfangreiche Dokumentation ist nach Themen untergliedert, die auch per Klick einzeln angesteuert werden können. Mit „Zurück zum Anfang“ gelangen Sie immer wieder zurück zu dieser Inhaltsangabe.
- Inhalt:
- Vorwort des Chronisten Otto Schmidt
- Aus meinem Leben
- Kindheit und Schule
- Was soll der Junge werden?
- Besuch der Rektoratsschule in Erwitte
- Besuch des Lehrer-Seminars in Büren
- Die Lehrer der Lehrer
- Lehrer in …
- Der Lehrer ist jetzt Rektor, meine Mitarbeiter
- Rückbesinnung auf die Soldatenzeit
- Rückführung eines gefallenen Kameraden
- Kirchbauverein
Vorwort des Chronisten Otto Schmidt
Im Jahr 2012 konnte der Heimatverein Mengede e. V. Kontakt mit der Tochter von Friedrich Schopohl jun. aufnehmen. Dabei wurden dem Verein die Aufzeichnungen „Aus meinem Leben“ ihres Großvaters Friedrich Schopohl sen. als Kopie überlassen. Auch an dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Dank dafür!
Nach der Rede der Enkeltochter von Friedrich Schopohl sen. hat ihr Vater die handschriftlichen Aufzeichnungen des Großvaters von der deutschen Steilschrift in die lateinische Schrift übertragen und mit der Schreibmaschine aufgezeichnet. Leider ist ein Teil dieser Aufzeichnungen im Lauf der Jahrzehnte verloren gegangen. Die erhaltene Aufzeichnung „Aus meinem Leben“ endet etwa in den 1920er Jahren.
Friedrich Schopohl war als Lehrer und Rektor der ehemaligen Freusberg (dann Freigrafen) schule in seiner Freizeit als Orts- und Heimatchronist für Bodelschwingh und Westerfilde tätig. Etwa zur gleichen Zeit wie seine persönlichen Aufzeichnungen enden, beginnt er 1923 mit der Veröffentlichung von Beiträgen in den Heimatblättern, der Zeitschrift für Heimatpflege für Castrop und Umgebung (Bodelschwingh und Westerfilde gehörte bis 1889 zum Amt Castrop und dann zum Amt Mengede).
Von einem Lehrer, der ja auch Person des öffentlichen Lebens war, wurde erwartet, dass er sich mit der Ortshistorie befasste, sich selbst vielleicht sogar als Ortschronist oder auch als Heimatforscher verstand (s. a. die Lehrer Carl Kochs, Alfred Esser, Karl Schleef, Fritz Neuhaus). So schreibt Friedrich Schopohl als Mitglied des Kirchenvorstandes in der Chronik der am 20. 08.1920 gegründeten kath. Gemeinde Maria Heimsuchung über die Geschichte von Bodelschwingh, beginnend bei den alten Germanen und den Brukterern.
Er erwähnt in der Chronik auch die Sage, daß die Missionierung in Bodelschwingh von dem Platz ausging, auf dem später der Grafenfriedhof (Tempel der Ruhe) errichtet wurde. Parallelgeschichten dieser Art sind häufig; Ortsangaben können kritisch zu hinterfragt werden. Die Rückbesinnung auf Germanentum, Vorvätersitten, Christianisierung und Brauchtum finden wir vermehrt seit der Entwicklung der Nationalstaaten, in der Deutschen Nach-Romantik im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und dem Kaisertum hohenzollernscher Prägung. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, dem Vertrag von Versailles, setzt in Deutschland ab den 20er Jahren eine Sinnsuche nach menschlichen Werten und dabei auch eine Rückbesinnung auf Volks- und Brauchtum ein.
Mit dem Ende der 20er Jahre wird die Suche nach dem Sinn und Wert menschlichen Lebens von den Nationalsozialisten aufgegriffen und „Zug um Zug“ das Vorhandene in Vereinen, in Wort und Schrift vereinnahmt und im NS-Sinn umgedeutet. Nach der Gleichschaltung 1933 wird dieser kollektive geistige Diebstahl rückwirkend als erlaubt erklärt und weitergeführt. Das macht es uns auch heute noch schwer, als Zeitzeugen oder Nachgeborene mit der Literatur aus dieser Zeit umzugehen.
Etwa fast 100 Jahre nach Beginn der Sammlung der Texte über und um Bodelschwingh ist festzustellen, daß vieles von dem historischen Wissen über Menschen, Familien, Bauernhöfe und Kotten, Brauchtum und Geschichten bei uns nicht bekannt, oder in unseren Köpfen nicht mehr bewusst ist. Diese Anmerkung gilt für die, die hier am Ort geboren, oder als Kinder zugezogen sind. Vermehrt gilt es für alle „Neubürger“, die ein Recht darauf haben, von den „Alteingesessenen“ zu erfahren, wie die Menschen in Bodelschwingh und Westerfilde gelebt haben. Die hier geborenen und alt gewordenen, so wie ich, haben dank Friedrich Schopohl, die Möglichkeit des Zuordnens, des Verknüpfens und des „Weitererzählens“ seiner Aufschreibung.
Friedrich Schopohl schied 1932 mit seiner Pensionierung aus dem Schuldienst aus. Ob sein vorzeitiges Ausscheiden mit der kommenden Gleichschaltung der Lehrer durch die NSDAP (1933) zusammenhing, ist nicht bekannt.
Durch Friedrich Schopohl sen. ist in den letzten Jahren auch eine geführte Wanderung „Bauernhöfe und – Kotten“ in Bodelschwingh möglich geworden.
Nach den Erzählungen seiner verstorbenen Schüler ist die Erinnerung an den Lehrer Friedrich Schopohl durchaus gemischt. Positiv wurde die Wissensvermittlung und Lerndisziplin hervorgehoben; negativ die harten Strafen bei geringem Fehlverhalten. Dabei sollte heute von jüngeren Lesern oder Schülern beachtet werden, dass Lehrer*innen den Unterricht oft als „Zweikampf“ zwischen sich und der Klasse auffassten. In keinem Fall soll hier die Prügelstrafe gerechtfertigt oder gar gelobt werden.
Aus unseren beiden Ortsteilen ist vieles an Wissen durch Friedrich Schopohl erhalten geblieben. Von ihm persönlich war bisher wenig bekannt.
Umso erfreulicher ist es, dass wir Nachgeborenen von ihm eine Beschreibung seines Lebens, von der Kindheit bis in sein „Mittelalter“, lesen können. Er berichtet vieles aus seinem sozialem Umfeld, beschreibt lebendig und treffend Ereignisse, Personen und Sachverhalte einer für uns weit zurück liegenden Zeit.
Ich wünsche Ihnen und Euch viel Freude beim Lesen und gute Gespräche danach.
Otto Schmidt, 2020, in der Corona-Zeit
Nach den Aufzeichnungen des Rektors
Friedrich Anton Beda Schopohl ( 1869 – 1942)
Am 8. Juni 1869 wurde ich zu Anröchte im Kreise Lippstadt geboren auf Humperts Hofe, den später der Bauer Frielinghaus gekauft hat. In der Taufe erhielt ich den Namen Friedrich, Anton, Beda. Meine Paten waren der Großvater Schenkwirt Friedrich Brennförder, der Gastwirt Anton Budde, genannt Prinz und der Gastwirt Beda Koch. Drei Wirte, etwas viel von einer Sorte. Großvater (welcher?) war mäßig, er wurde fast 80 Jahre alt.
Die beiden anderen Herren sind nicht alt geworden. Wirte sterben oft an der „Lüdenscheider Krankheit“. Die Umschreibung dieser Krankheit heißt: „He at nit derbi!“ oder er trank mehr als er aß. Jedenfalls litten sie an dieser Berufskrankheit noch nicht, als Vater sie zu Paten wählte. Ostern 1875 kam ich in die Schule zum Lehrer Heinrich Lange, einem Junggesellen mit heiligem Lebenswandel. Er war ein gewissenhafter milder Lehrer und sehr frommer Küster.
Ich war viel bei ihm und ging ihm beim Küsterdienst gern zur Hand. In jener Zeit war Lehrermangel. Lehrer Peitz legte sein Amt nieder, und wir bekamen Präparanden (Lehrer in der Ausbildung) als Lehrer. Das war übel, denn sie konnten noch nicht unterrichten. 1879 bekamen wir den Lehrer Rieländer aus Geseke. Leider starb er nach 2 Jahren, aber sein Andenken hat sich lange in der Heimat erhalten. Dann folgte Friedrich Temme, der bald mit seinen Vetter Joseph Temme, der in Mellrich war, tauschte. Joseph Temme war ein äußerst tüchtiger Mann mit großem Wissen auf allen Gebieten; war sogar den Geistlichen in Latein und Französisch überlegen. Er war schon 25 Jahre in Anröchte, aber man machte ihn nicht zum Hauptlehrer. Niemand konnte über ihn klagen, aber sein eigentümliches pedantisches Wesen fand keinen Anklang. Da machte Temme in Münster die Mittelschullehrerprüfung in Deutsch, Rechnen, Religion und Latein. Ein Jahr später machte er die Rektorenprüfung und kurz darauf wurde er Rektor an einer großen Mädchenschule in Sterkrade (Oberhausen).
In ländlicher Gegend gibt es auch bei kleinen Leuten ländliche Arbeit. Wir hatten Ziegen und Schweine. Im Frühling und im Frühsommer musste ich die Gänse hüten. Später trieben wir die ins Feld und hüteten die Ziegen. Andere Leute hatten den gleichen Wirkungskreis. Lernbücher nahmen wir mit ins Feld und lernten gemeinsam. In der Ferienzeit waren die Korbweiden brauchbar, da wurden Körbe geflochten. Aller Anfang ist schwer! Die ersten Körbe hatten noch „kein Fasson“, keine Form. Allmählich besserte sich das, und ich machte Kartoffelkörbe, sogar Waschkörbe aus geschälten Weiden oder Haselschienen. Wir hatten schon einen Haarbesen, aber der wurde selten gebraucht, denn ein Haarbesen ist teuer. Darum wurde ich auch Besenbinder, machte Topfbesen und Kehrbesen aus Heidekraut und Birkenreisern. Mein Vater war kein Freund dieser Arbeiten. Ich hatte wohl von den Bauern die Erlaubnis, Reiser und Weiden in ihren Wäldern zu schneiden. Vater wußte wohl, daß Korbmacher und Besenbinder stehlen. Ich wußte aber auch, wohin Vaters Patrouillengang führte und des Försters Sohn wußte, in welchem Revier sein Vater war.
Einige Kartoffelkörbe verkaufte ich, 0,60 Mark das Stück, und so hatte- ich zur Kirmes an 2 Sonntagen im Oktober immer auch eine Mark übrig, um für die Mutter und die kleinen Geschwister etwas zu kaufen.
Einmal wurde ich arg enttäuscht .Unser alter Vikar, er ging noch immer in Kniehosen mit weißen Strümpfen und Halbschuhen mit Silberschnallen, bat mich, zwei Kartoffelkörbe zu machen. Ich freute mich über den Auftrag und auf 1,20 Mark. Ich strengte mich besonders an. Er lobte meine Arbeit, schickte mich zu seiner Schwester, und die gab mir 3 Birnen! Geiz stellt sich oft bei alten Leuten ein! Im Frühsommer waren viele Weiden noch nicht gut, da flochten wir Gänsehirten aus Pferdehaar die schönsten Uhrketten. Die Uhr fehlte. Im Winter wurden Bürsten gebunden: Schmierbürsten, Wichs(Schuh)bürsten und als Spitzenleistung die Kleiderbürste. Von der Mutter lernte ich auch das Sticken, denn in jener Zeit wurden viel gestickte Pantoffeln getragen. Spitzenleistung war: ein gestickter Turngürte1, den ich im Seminar, als Lehrer noch lange im Turnverein, getragen habe. Zur Arbeit gehörte selbstverständlich auch Laubsägerei, Schnitzerei, und der Krippenbau. In der Schule gab es keinen Handfertigkeitsunterricht. Wir lernten das alles von den Eltern, in den Spinnstuben von Knechten und Mägden und von einem alten Hof-Onkel.
Die kleinen Feldmäuse richteten oft großen Schaden an. Ich glaube , es war 1882,da war die Mäuseplage mal sehr groß. Da beschloß die Gemeinde für jede tote Maus einen Pfennig zu zahlen. Mit Fallen und Fäusten, Hacken und Erdbohrern ging es auf die Mäusejagd. Ich habe 752 Stück gefangen, kaufte mir einen sehr guten Tornister und hatte noch reichlich Kirmesgeld für meine Geschwister. Die Gemeinde hat damals 1800 Mark für Mäuse gezahlt. Einmal und nie Wieder!
(Mit)Kohlen wurde wenig gebrannt (geheizt). Wir kauften im Winter hin und wieder einen Scheffel. Im allgemeinen wurde Holz gebrannt. Eine Verwandte aus Asseln besuchte uns einst. Sie fragte den Vater: „Onkel, kann man den schwarzen Dreck, der in dem Kasten ist, auch brennen? Die 17 jährige Anna Gehrken kannte noch keine Steinkohlen.
Vaters Weg führte oft durch die engen Gassen des Grafen Bocholz bei Nettelstedt. Um ihn für Wald und Wild zu erwärmen, bekam er jedes Jahr einen Haufen Buchen angewiesen, den er nach Tag(es)wert bezahlen mußte, selbstverständlich war der Haufen wohl das doppelte wert. Beim Holzverkauf kaufte Vater wohl noch 3 Haufen dazu. Niemand bot auf, wenn er die Taxe bot. Dann fragten die Bauern; „Wann sollen wir Ihnen das Holz bringen?“ – „Beim ersten besten Wetter“. Dann brachten die Bauern aus Nettelstedt , Östereiden oder Effeln das Holz, 4 — 5 große Fuhren eines Tages, auf unsern Hof. Vater ersparte ihnen manchen Weg, und eine Hand wäscht die andere!
Dann kamen Schäfer und machten auf unserm Hofe aus den schönsten Baumstammenden Pfähle für ihren Pferch. Meistens zahlten sie für einen Pfahl aus dem Stammende 8 Pfennig, für alle übrigen 5 Pfennig. 150 Pfähle gab es wohl, und die Späne blieben uns als Anmachholz. Jahrelang kamen im Winter 2 alte Handwerksburschen und sägten und spalteten das Holz. Sie schliefen in der Herberge, aßen bei uns und bekamen noch 1,50 Mark Tagelohn in die Hand Der eine war Kupferschmied , stammte aus Minden und kannte Mutter sehr gut aus den Kinderjahren und der Schulzeit• Sie erzählten sich manchmal aus der Schulzeit, aber sie war für ihn immer „Frau Wachtmeister“ Anständig waren sie und ehrlich auch, aber — ihre Hände mochten wohl zu ungleich sein für gleichmäßige Dauerarbeit. Das Astholz verarbeiteten Vater und ich. Dann bauten wir 3 — 4 große Holzhaufen. Davon verkaufte Vater zwei. Das Holz wurde gut bezahlt von einem Tabakhändler Cruse in Erwitte.
In der Heimat war es üblich, das jeder im Winter einen dicken gestrickten Wollschal trug, ich auch. Dadurch wurde der Hals verweichlicht und ich war häufig erkältet. Im 13. Lebensjahr wurde ich heiser und blieb heiser. Der Pfarrverweser (Vertreter des Pfarrers) Prof. Krotthoff sagte zu mir: „Junge, Du darfst keinen Schal tragen, der Hals muss frei und luftig sein, dann wird deine Heiserkeit bald verschwinden. Ich hängte den Schal an den Haken, meine Heiserkeit verschwand und ich habe fast nie mehr mit Heiserkeit zu tun gehabt. Was soll der Junge werden? Vater (Wachtmeister, Polizist) war sehr sauber. Seine Uniform schonte er. Überhaupt gefiel mir die Uniform. Bei meinen Besuchen in Minden führten mich die Großeltern zu den Paraden und Militär-Konzerten. Kein Wunder, ich wollte Soldat werden; ich wollte Gendarm werden. Vater war damit nicht einverstanden: „Junge, ein Gendarm hat nur mit schlechten Leuten zu tun! „Das verstand ich nicht, denn Vater war doch eine so sehr geachtete Person und verkehrte mit ehrenwerten Leuten. Vater kannte alle Lehrer der Umgegend, sie begleiteten ihn oft auf seinen Dienstwegen, sie spielten auch mit ihm Skat. Er meinte, ich könnte und müßte Lehrer werden. Der Hausrat eines verstorbenen Lehrers in Effeln wurde verkauft , und Vater kaufte ein altes Tafelklavier für 18 Taler. Es wurde ausgebessert und gestimmt. Ich bekam (Klavier)Stunden bei dem Lehrer Lange. Dazu eignete er sich leider durchaus nicht. Je länger ich in die Stunde ging, desto länger hing mir die Klimperei zum Halse heraus. Das sahen Lehrer und Vater ein. Schluß! Vater blieb aber bei seinem Wunsche (, dass ich Lehrer werden solle) und Mutter unterstützte ihn. Ihr zu Liebe willigte ich kurz vor der (Schul-) Entlassung ein. Lehrer Temme wurde um Rat gefragt. Er riet: „Lassen Sie Ihn noch ein Jahr zur Schule gehen. Ich gebe ihm Stunden in Deutsch, Französich, Latein und Rechnen. Dann schicken Sie ihn nächstes Jahr zur Rektoratsschule in Erwitte“.
Besuch der Rektoratsschule in Erwitte
Der Bauer Eickhoff hatte das erfahren und er schloß sich für seinen Sohn Karl dieser Sache an. Wir hatten zwar nur 2 Stunden in der Woche, kamen aber nach einem Jahr glattweg auf die Quarta der Rektoratschule, konnten aber nicht den ersten Platz erobern, ein Sohn des Rechtsanwaltes Dane war und blieb uns überlegen. Dr. Karl Eickhoff lebt als Bürgermeister a. D. in Münster. Ivo Dane starb vor einigen Jahren als Dechant, er war ein lieber Mitschüler, ein frommer, eifriger Priester.Wir hatten tüchtige Lehrer, Rektor Sandhage , später Pfr. in Hamm i/W., dann Rektor Knoche ,Sohn des berühmten Rechenknoche, Lehrer Heinrich Temme für Deutsch und Turnen. Der Weg war weit, 1 1/4 Stunden. Aber das machte nichts aus für gesunde Burschen. Die 2 1/2 Stunden Marsch, Sturm und Regen, Frost und Schnee, Hitze und Kälte stählten unsern Körper. Krank wurden wir nie! Auf Griechisch verzichtete ich. Beim Lehrer Temme in Mellrich, ein tüchtiger Musiker, nahm ich Klavier- und Geigenstunden und so ging es auch in Musik voran. Vater meldete mich an für die Präparandie in Büren, und ich mußte zur Prüfung vier Stunden Weges durch tiefen Schnee. In Eickhoff fragte ich nach dem Wege. „Gehen Sie nur weiter so, wo die meiste Bahn ist!“ Die Bauern hatten Holz gefahren, und (die Bahn) ging in einem großen Wald. Zurück! Im Felde stand ein trigonometrischer Turm. Querfeldein zum Turm! Auf den Turm! Vor mir im Almetal lag Büren. Noch eine halbe Stunde, ich kam noch früh genug zur Prüfung, wenn auch die Hose bis zu den Knien gefroren war, die taute bald wieder auf. Ich bestand die Prüfung, verzehrte meine Butterbrote und wanderte ganz vergnügt wieder 4 Stunden Weges nach Hause zurück.
Besuch der Präparandie in Büren
Ein Jahr war ich auf der Präpandie, einer Privatschule des Taubstummenlehrers Stoffers und des Seminarlehrers Stephanblome. Ich wohnte bei einem Schäfer Wrede. Der Alte trank und litt zeitweilig an Dilirium, ein Sohn trank, die Alte glühte manchmal wie ein Backofen, wenn sie von Mische zurückkam, wo sie Pfefferminz getrunken hatte. Zwei brave Söhne ärgerten sich. Die Tochter des Hauses, die liebe Josephine, starb 1887 an der Schwindsucht.Die Grundlagen meines Wissens war gut. ich arbeitete mit allem Ernst, und so hatte ich reichlich Zeit, mehr als meine Mitschüler, um dumme Streiche machen zu können,wußte aber auch, daß ich meine Eltern nicht kränken durfte. Mit dem Vater hatte ich manche Nachtpatrouille gemacht, die machte mir stets Freude und so kam ich in Büren darauf zurück. Wrede hatte 2 schöneSchäferhunde, der jüngere „Wolf“ war bösartig, aber ich hatte mich schnell mit ihm befreundet. Nach 10 Uhr abends lag alles in den Federn, Revision war nicht zu befürchten, denn die Lehrer fürchteten die Hunde. Dann rief ich leise den Wolf und es ging durch Felder und Wälder, stundenlang, stundenweit. Schön ist der Wald bei Tage, schöner, feierlicher in lauer Sommernacht bei Vollmond. Schöner ist er im Wettersturm. Oft kehrte ich heim, weckte meine Mitschüler, es war Zeit zum Unterricht. Andere waren verschlafen, ich war frisch.
Bürener Bengel suchten oft Streit mit meinen Mitschülern. Viele kannten mich, sie ließen mich stets ungeschoren. Andere prügelten sie oft. Einmal weckten mich zwei (von uns). Sie konnten nicht heim, weil die Bengel in der Nähe ihrer Bude lagen um sie zu prügeln. Ich ging mit ihnen. Die Bengel pfiffen und kamen heran. „Halt, was wollt Ihr?“ „Wir wollen die beiden ein wenig verhauen!“ – „Das könnt Ihr ruhig tun, aber nicht, wenn ich dabei bin.“ – „Dann gehen Sie doch ruhig nach Hause!“ „Ich gehe nach Hause, wenn die beiden im Haus sind!“ Die Mitschüler schob ich vor mir her. „Marsch nach Hause, wer von Euch einen Stock hebt, den schlage ich nieder!“ „Friede!“ Die Bengel begleiteten mich nachher nach Hause und versicherten mir, sie wünschten mit mir keinen Streit.
1887 machten wir die Aufnahmeprüfung für das Seminar. Aus allen Gegenden kamen die Prüflinge, 76 an der ZahL, nur 26 sollten aufgenommen werden. Zu uns wurde Einer einquartiert, der 3 Jahre die Präparandie Lütgemhorst besucht hatte., Der konnte was! Der prahlte mit seinem Wissen und Können! Meinen Mitschülern ward angst und bange; erflüsterte mir zu: „Du, unsere Aussichten werden schwach wenn viele solcher kommen!“ Unsinn, Abwarten! Jetzt gehe ich einmal mit Dir aus um ein Glas Bier zu trinken.“ Da bekam mein Freund Wibbecke wieder Mut. Der erste Prüfungstag war zu Ende . Wir wollten zu Abend essen. „Wo bleibt der Herr aus Langenhorst?“ „Der kam um 3 Uhr nach Hause packte seine Sachen und reiste wieder ab.“ Der war schon erledigt. Alle Bürener Präparanden bestanden und alle reisten vergnügt, in die Heimat.
Gewitter über Büren, 1886
Und Menschen und Tiere seufzen und klagen,
Sie schauen zum Himmel in gleißende Glut.
Wird endlich gebrochen der brütende Frieden?
Türmen sich auf immer dichter und dunkler.Still senkt sich die Nacht. Kein Sternlein funkelt.Die Menschen sind wach unter schützendem Dach.
Besuch des Lehrer-Seminars in Büren
Direktor Engelbert Freusberg, Theologe, Divisionspfarrer 1870/71. Ernst, gemessen, würdvoll liebenswürdig, ein Edelmann vom Scheitel bis zur Sohle, wenn es mal nötig war und gar nicht anders ging – saugrob! Ich hatte ihn gern. Er starb im Ruhestand in Paderborn. Seine Haushälterin, eine Cousine, nannten wir Eichhörnchen.
Oberlehrer Peitz, Theologe, früher Schulvikar in Mellrich bei Anröchte. Er hieß allgemein Onkel. Vor unserer Zeit hatte er den Namen „Schißpicker“, denn er war mißtrauisch, kleinlich, peinlich, engstirnig, bigott und gehässig. In einer Stunde konnte er wohl 30 Mal „einstweilen“ sagen. „Einstweilen fangen wir an – einstweilen Sie – einstweilen schreibe ich Ihnen ungenügend – einstweilen setzen Sie sich – einstweilen fahren Sie fort“. Außer Religion und Geschichte, von deren Zusammenhängen er übrigens keinen Schimmer hatte, gab er auch Latein. Anfangs nahm die ganze Klasse Latein. Bald vielen die meisten ab, nur Schmidt, Lohn, Wibbecke und ich blieben, weil wir ja schon Latein studiert hatten. Wir lasen Cesar. „Tschopohl, fangen sie einstweilen an!“ Ich las den ersten Satz. „Setzen sie sich, ich schreibe Ihnen einstweilen ungenügend“. Den anderen dreien ging es genauso. Ich übersetzte den ersten Satz. Zog man die Silben Cae in Caesar, das is des Dativs nicht lang wie Gummi, dann war ein Ungenügend sicher. Endlich hieß es: „Tschopohl, Sie sind groß und stark, aber sie ziehen immer das dünne Seil. Sie sind faul!.“ – „Tschmidt, Sie sind ein widerspenstiger rechthaberischer Mensch!“ – „Lohn, Sie sind ein genußsüchtiger Mensch! – „Wibbecke, Sie sind an ganz gemeiner Mensch! Sie haben einen niederträchtigen Charakter!“ Ich bekam eine Bemerkung in „Fleiß“ ins Zeugnis und suchte das im nächsten Semester wieder auszuwetzen, bekam aber eine noch gröbere Bemerkung. Seminarleiter Weicken sagte mir im Vertrauen: „Die Bemerkung verdanken Sie dem Onkel. Er forderte die Note mit verbissener Wut gegen das ganze Kollegium. Werfen Sie das Latein über Bord, dann wird es anders.“ Ich ging mit ihm zum Onkel, der jagte mich raus. Ich ging nicht mehr in die Lateinstunde. Da dies keine weiteren Folgen hatte, kam Onkel einmal in die leere Klasse. Latein war zu Ende. Der fromme Herr Peitz schlug doch ein eigentümliches Verfahren ein, um uns los zu werden. Onkel hatte auch geschriftstellert, er hatte die Antworten zur hl. Messe herausgegeben, nur die lateinischen Antworten, ohne Erklärung, nur mit dem Hinweis auf der ersten Seite „Sprich zum, nicht komm!“ Onkel hatte auch den Kronenorden erhalten. Dazu gab es auch noch 1/2 Meter Band. Bei der nächsten Kaisergeburtstagfeier hatte er das ganze Band oben an der Schulter festgesteckt und der Orden baumelte auf dem Bauch. Der Alte lächelte und sagte: „Wer lang hat, läßt lang hängen.“ Onkel war kein Lehrer! Er war eine lächerliche Figur! Er kannte die wenigsten Mitschüler mit Namen.
Anton Cenau, unser Rechenmeister, unser Physiker, stammte aus Daseburg bei Wartburg. Wegen der roten Haare hieß er „der Rote“, auch wohl Anton. In seinem Wesen war er bäuerlich und ohne jede Form, aber doch ein Könner. Mich hatte er auf dem Strich, und er nahm mich hoch, wo er konnte. Er war aber auch ehrlich genug, mir das im letzten Jahre zu sagen. Sie haben einen Tick im Gesicht“, sagte mir später mal ein Nervenarzt.
Arthur Rosenstengel, unser Musiklehrer, war Musiker, er hatte auch einen Turnkursus mitgemacht und konnte auch ein wenig turnen. Das war aber auch alles. Er stammte aus Thüringen. „Als ich die Aufnahmeprüfung machte, tahier, sollten 25 aufgenommen werden, tahier, es kamen aber nur 19 zur Prüfung, tahier, das war mein Glück, tahier, wären 75 gekommen, dann hätten sie mich sicher nicht genommen, tahier! Ohne „tahier“ ging es bei ihm nicht. Er hatte eine rostige Musikantenkehle, war morgens oft noch nicht bei der Sache, denn er trennte sich ungern vom Biertisch. Seine „Bürener Schützenpolonaise, das Grab in Busento (Männerchor mit Orchester), Zigeunermärsche und -Tänze fanden Anklang und machten ihm Ehre. Später kam er nach Warendorf. Er hieß bei uns Stummel, aber wir hatten ihn gern.
Heinrich Wennekamp, Musik-, Zeichen-, und Turnlehrer. Er konnte und leistete was in diesen Fächern. Wer wollte, der konnte bei ihm viel lernen. Der alte „Klöngel“ hatte Rückgrat.
Julius Stephanblome, kurz Stephan, Seminarist in Büren, dann Lehrer und Seminarleiter in Büren, später Schulrat in Schlesien, zuletzt Lehrer in Herne. Er gab am Seminar Deutsch, Erdkunde und Turnen. Der kleine schwächliche Kerl war äußerst fleißig, alle Bücher kannte er auswendig, d.h., soweit sie sich auf seine Fächer bezogen. Unterrichten? Nein, das war kein Unterricht. Er drehte alles eintönig in rasender Eile daher, wie der Drechsler den Span. Darum nannten ihn viele den „Dreher“. Manchmal konnte man ihm überhaupt nicht folgen. Stephan war bissig und ironisch. Niemand schätze ihn; man fürchtete ihn.
Franz Weicken, gebürtig aus Mellrich, Seminarist in Büren, 2 Jahre Lehrer im Sauerlande, machte die II. Lehrerprüfung in Büren und war sechs Wochen später Seminarlehrer in Büren. Franz war der tüchtigste Lehrer, ein großer Musiker, hatte einen edlen Charakter, war frisch und freudig. Vom Alten, vom Roten, von Weicken lernte man, wie man unterrichten muß. Er ist gestorben als Seminardirektor zu Wittlich im Rheinlande.
Loren Lütteken, der „Loren“, ein Sauerländer, kam etwa als 26 jähriger zum Seminar als Ordinarius der Seminarübungsschule. Ein Junge ruft: „Hier stinkt es!“ Lorenz fragt: „Wer hat da gestunken?“ Keiner meldet sich. Lorenz: „Schnüffelt mal, wer da gestunken hat!“ Die Jungen beschnüffeln sich eifrig, aber ohne Erfolg. Seit der Zeit hieß er auch „Schnüffel“. Später wurde er Seminarlehrer in Warendorf. Ende Februar 1890 stiegen wir in die Abgangsprüfung und alle bestanden.
Lehrer in …
Lehrer in Waltringen bei Werl. Am 5. März 1890 bekam ich eine Vertretung für den erkrankten Lehrer Hüsten. Leider konnte ich nicht bei ihm wohnen. Er schickte mich zu einigen Bauern, aber niemand wollt mich aufnehmen. Länger saß ich bei dem Bauern Kerstin, genannt Schüngemann, Mitglied des Schulvorstandes u. a. m.. Aufnehmen? Nein, das ginge nicht. Ich saß mit der Frau allein, und es fiel mir plötzlich auf, daß die Leute nur Platt sprachen. Da stand ich auf, zog Überzieher und Rock aus und sagte: „Seo Frau, niu gacht maol ant Schapp unt kruiget maol en blaoen Kiel vam Hären riut, un dann gaoht maol in de Küeke un haolt mi en Froistücke. Jek hewwe Schmacht är en Jagdruin!“ Da riß sie eiligst ein Fenster auf und rief: „Vatter, kuem rin! De Lähr bliwt hui!“ Mir reichte sie den gewünschten blauen Kittel, Kerstin kam mit der Pulle, es gab ein prächtiges deftiges Frühstück, und sie hatten auch Platz genug. Ich habe in W. einige schöne Wochen verbracht, und dazu verhalf mir mein Anröchter Platt.
Lehrer in Dortmund. Am 15. April 1890 bekam ich eine Vertretung für den kranken Lehrer Lichte in D., er war schon lange krank, fast blind, und die Klasse war aus Rand und Band. L. mußte sich pensionieren lassen und ich meldete mich beim Pfr. Walter der Liebfrauengemeinde. Ein Kollege hatte mir dazu geraten. Walter erbat sich ein Zeugnis und versprach mir die Stelle. Sie wurde anderweitig besetzt, da W. die Bewerbung verbummelte.
Lehrer in Mengede. Die Regierung gab mir eine Stelle im Schulverbande Mengede, von dort schickte man mich zunächst für den Lehrer Richard Borgmann, der zu einer Übung eingezogen war. Am 1.XI 1890 kam er zurück, und ich übernahm die Knabenoberklasse in Mengede, die bis dahin der alte Kollege Glade gehabt hatte. G. war ein kluger Kopf, ein Rechenmeister, hatte ein Rechenbuch herausgegeben, das nirgend benutzt wurde. Er war ein Stubenhocker. Für Knaben, die zu spät kamen hatte er eine Nachtmütze im Pult, für den Faulen eine Eselskappe, jeder Schüler hatte einen Spitznamen.Der Pfr. Arens hielt bei meiner Einführung eine große Rede mit viel Donner und Doria. Ich sagte den Knaben: „Bei mir wird aufgepaßt! Bei mir wird gelernt! Ich dulde keinen Unfug!“
Lehrer in Bodelschwingh. Nach den Osterferien 1891 kam ich an die einklassige Schule in B.. Sie hatte 79 Kinder aus Bodelschwingh, Westerfilde, Nette und Dingen. Die Schülerzahl stieg infolge der anwachsenden Industrie: 1894 auf 80, 1898 auf 94. 1899 wurde eine Halbtagsschule eingerichtet mit 133 Kindern. Im Herbst 1899 wurde die Schule zweiklassig. 1904 wurde die Schule dreiklassig mit 197 Kindern.
Um 1909, im linken Teil des Bildes die Familie Lehrer Friedrich Schopohl. Foto: Archiv Heimatverein Bodelschwingh-Westerfilde e. V.
Auf Betreiben des Schulvorstandes wurde mir am 5.9.1907 die äußere Leitung der Schule übertragen. Am 14. Mai 1912 wurde ich Hauptlehrer. Ostern 1921 hatte die Schule sechs aufsteigende Klassen, im ganzen acht Klassen mit acht Lehrern und Lehrerinnen. Ich will Rektor werden, das Kollegium ist dagegen. Die Regierung beantragt meine Ernennung zum Rektor. Der Schulvorstand unter der Leitung des sozialdemokratischen Beigeordneten Hermes aus Mengede lehnt ab. In einer erneuten Sitzung unter der Leitung des Amtmannes Pauly wird der Ernennung zugestimmt.
Rechts-unten im Bild: Die Kollegin Fräulein Hundt. Foto: Archiv Heimatverein Bodelschwingh-Westerfilde e. V.
Rechts: Friedrich Schopohl Foto: Archiv Heimatverein Bodelschwingh-Westerfilde e. V.
Dere Lehrer ist jetzt Rektor, meine Mitarbeiter
Emilie Hundt kam 1899. Sie hatte ihren Betrieb stets in Ordnung und hielt auf straffe Zucht. An Arbeit hat es in den ersten Jahren bei den überfüllten Klassen nicht gefehlt. 1920 wurde sie Konrektorin, 1935 trat sie in den Ruhestand.
Wilhelm Disselbeck aus Höntrop war Choleriker. Er trank gern. Kater und nasses Unterbett waren die Folgen. Er ließ sich bald ins Sauerland versetzen.
Joseph Schüttler aus Fredeburg, ein Phlegmatiker, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ. Er wollte Konrektor werden, das geriet ihm nicht. Auch mein Nachfolger wurde er nicht.
Wilhelm Leifeld aus Heddinghausen bei Marsberg, ein eingebildeter Pinsel. Infolge eines Techtelmechtels mit einer ev. Kollegin ließ er sich nach Dorstfeld versetzen. Er fiel am 14.9.1914 in Frankreich.
Franziska Vogt aus Stirpe bei Lippstadt kam 1908; sie starb am Herzschlage am 5.5.1931. In Ernst und Schaffensfreude stand sie im Berufe, in hilfsbereiter Treue im Kollegium. Im Kriege half sie opferfreudig an allen Ecken und Enden.
Elisabeth Schlüter aus Marten. Fleißig, tüchtig, arbeitsfreudig und hilfsbereit.
Hugo Mues aus Kirchlinde kam 1912, fiel leider 1915 am Narew. Mues war ein ganzer Mann, ein Lehrer vom Scheitel bis zur Sohle. Im Felde wurde er Unteroffizier, Feldwebel, Offz.-Stellvertreter.
Elisabeth Diesse aus Ahlen i. W., Lehrerin in Berlingerode (Eichsfeld), in Castrop, in Bodelschwingh, in Howestadt bei Lippstadt, in Welwer. Gutes kann ich von ihr nicht schreiben. Endlich wird sich ihr unruhiges Blut, ihr Liebeswahnsinn wohl gelegt haben! Bittere Enttäuschungen können auch zum Verzichten führen.
Fritz Frewer, polnischer Flüchtlingslehrer, geborener Westfale. Sehr fromm, kein Lehrer. Heiratet evangelisch, geht an die weltliche Schule.
Heinz Kerkhoff aus Ottmarsbocholt, Fliegerleutnant, kam 1919. Ein fähiger Mensch, eine Kämpfernatur! Religiös verfallen. Er schloß sich der Sozialdemokratie an und wurde Gemeindevertreter. Er ging an die weltliche Schule. In Berlin studierte er und wurde Gewerbeoberlehrer. Nach der Machtübernahme wurde er abgesetzt, er lebt von der Wohlfahrt.
Ernst Diekmann, Sohn des Hauptlehrers D. in Belecke, diente bei Kriegsausbruch aktiv, wurde 1918 Gardeleutnant. Er rühmte sich: „Auf meiner Konduitenliste (Führungsliste für Beamte und Offiziere) steht „U. U“, d. h. unangenehmer Untergebener“. Er war ein unangenehmer Kollege! Während meiner Krankheit wurde er Zentrumsmann und kämpfte gegen Nazi und Kozi (Kommunisten), immer persönliche Kämpferei und Stänkerei. D. kümmerte sich um alles, nur nicht um die Schule. Geleistet hat er nichts! Schulden hatte er in Menge! Seine Redensart war „Nicht war?“
Heinrich Weber aus Grafschaft, ein kleiner Krott, Offz. – Stellvertreter. Stehkragen, Geltungsbedürfnis. machte (spielte) im kath. Jünglingsverein Theater und (war der) Zupfgeigenhanserl. Er warf die Äuglein hin und her, „Wo nehme ich mir ein kleines Mädel her. “ Ich förderte sein Wollen, um ihn los zu werden. Das gelang.
Karl Rüsing aus Lippstadt, Kriegsteilnehmer, Gefangener in Sibirien, Junglehrer! Er ist fleißig, pünktlich, gewissenhaft, manchmal etwas eckig, aber stets ehrlich und geradeaus!
Die Herren Kreisschulinspektoren
Dr. Zumloh habe ich nie gesehen, er war ein kranker Mann, bei meiner Vorstellung fertigte mich seine Frau ab.
Dr. Große-Bohle, früher an der landwirtschaftlichen Schule Lüdinghausen. Von der Schule verstand er so viel, wie die Katze vom Sonntag, aber er war „Inspektor“. Gerieten die Trennungsstriche oder die Strichelchen über den Umlauten in einem Bericht zu dicht zusammen, so kam das Schreiben zurück, mit Rot- oder Blaustift verarbeitet. Dabei schrieb er selbst wie ein Mistkratzer. Waren an der Schiefertafel Lappen und Schwamm an einem Faden nicht in Tafellänge, dann wurde man stets darüber beraten. Rektor Heppe gab ein Geschichtsbüchlein heraus und Dr. Gr. B. hielt mit, d. h., er setzte wohl seinen Namen drauf und drunter und strich vielleicht das Geld ein. Die Kinder mußten das Buch auswendig lernen. Es war ein geflügeltes Wort: „Junge, warum mußtes Du heute wieder nachsitzen?“ – Wegen Große-Bohle und Heppe!“ Gr. B. wurde das königliche Kreuz genannt. 1901 wurde er Regierungsrat in Minden, wurde aber bald pensioniert.
Dr. Schapler kam aus Stargard. Klein, zart, mager bis auf die Knochen, das Gegenstück zu Gr. B.. Bald hatte er seine östliche Einstellung vergessen. Er konnte was, er wußte was, und – er hatte keine Trabanten! Ich kam gut mit ihm aus und wurde sein Schriftführer bei Konferenzen. Am 1.4.1905 Regierungsrat, später Oberreg. Rat in Arnsberg.
Adam Schaaf aus Camberg in Hessen. Sch. kann reden, er kann Witze reißen, er kann saufen! Er säuft, bis ihm die Brühe im Barte hängt. Pfui Deibel! Er kommt zur Prüfung, er hört um 11 Uhr auf, wir gehen ins Wirtshaus. Er ißt und trinkt und trinkt und ißt. Er läßt den Vikar Helweg (Bodelschwingh) holen. Der bestellt 11 Uhr abends einen Wagen und läßt Sch. zur Bahn bringen. Das Zahlen überläßt Sch. in großzügiger Weise dem Herrn Vikar. Sch. wurde Direktor am Lehrerinnenseminar in Paderborn. Dort starb er am Herzschlage.
Dr. Feltmann kam am 1.10.1907. Er war Volksschullehrer gewesen. War jung, frisch und lebensfroh, kollegial. Er kannte Schule und Unterricht und war ein freundlicher Berater. Er ging 1910 und wurde später Oberreg. Rat in Koblenz.
Dr. Kaiser war Oberlehrer in Bochum, hatte Mathematik und Naturwissenschaft studiert. Groß und großzügig, ruhig und sachlich. Damen fürchteten ihn: schwarzer Bart, schwarzes Haar, schwarzrandiger Kneifer, logisches Denken, kurze, sachliche Antworten, das lieben Damen nicht. Alle ohne Ausnahme bedauerten, daß er 1911 Stadtschulrat wurde. Während des Krieges trat er in die Stadtverwaltung ein und war bis 1936 Finanzdezernent.
Wilhelm Freese kam 1911. Er war Sauerländer, Seminarist in Rüthen, Lehrer und Rektor in Hamm, Schulrat in Attendorn und kam von dort zu uns. Was er war, war er durch eisernen Fleiß, stete Arbeit, Härte gegen sich und andere. Er war stocksteif, hölzern! Niemals freundlich, er lachte fast nie und verbreitete eine eisige Atmosphäre, die Lehrer und Kinder bedrückte. Er war rücksichtslos bis zur Brutalität. Freese hat Urlaub. Zufällig sehe ich ihn durch das Feld kommen. Alarm! Frese kommt in die Schule und prüft drei Tage! Er kommt morgens mit der Uhr in der Hand auf den Schulplatz! Im Kriege laufen die Kinder barfuß, auch die großen Mädchen. Schulleiterkonferenz: Wir sollen dahin wirken, daß die Mädchen Schuhe und Strümpfe tragen! Er war 1931 eine Zeit lang krank. Am 1.1.1932 will er wieder Dienst tun. Am 31.12.31 schickt ihm die Stadt die Pensionierung ins Haus. Das hat ihn wohl so hart getroffen, daß er am 8.1.32 starb. die Stadt widmete ihm einen kurzen Nachruf. In keinem Fachblatt stand ein Nachruf!
Rückbesinnung auf die Soldatenzeit
Soldat (Ich werde eingezogen.)1890 mußte ich in die Ziehung. Kurz vorher hatte ich eine Erkältung gehabt. Der Stabsarzt sagte: „Trockene Lunge. Ein Jahr zurück!“ – 1891 sagte der Stabsarzt: „Garde“. Der Amtmann: „Volksschullehrer“. Der Oberst: „Ersatzreserve!“ So kam ich am 20.8.91 zu einer Ersatzreservekompanie zum Inf. Reg. Nr. 15 nach Minden i./W., zu Vaters Regiment in dieselbe Kaserne, in der Vater war. Es gab damals eine Ersatzreserve mit 10, 6 und 4 wöchiger Übungszeit. Volksschullehrer hatten bis kurz vorher nur 6 Wochen Dienstzeit. Sie wurden (in) meiner Zeit mit der Ersatzreserve ausgebildet; so lernten wir etwas mehr vom Heeresdienst. Nur wenige Lehrer waren in der Kompanie, und der Dienst gefiel mir. Gegen den alten Sergeanten Meier, einem Grobian, und dem unfähigen Leutnant Reyle habe ich mich mit unverzagter Rücksichtslosigkeit durchgesetzt. Beim Kompanieführer Landkuhl, einem sehr fähigen Offizier hatte ich eine „dicke Nummer“. Schade, die 10 Wochen vergingen schnell, ich hätte gern die 20 Wochen an einem Streich abgemacht. – Vom 20.9.92 bis zum 31.10.92 machte ich die zweite Übung auf der Spellener-Heide im Lager Friedrichsfeld beim Inf. Reg. Nr. 56 in Wesel. Hauptmann Tscherny, von den alten Leuten „Spatz“, von uns „Knochen-Philip“ genannt, verfügte über eine große Berliner Schnauze und klagte täglich hundertmal: „Ich rede mir das Maul fusselig!“ Warum tat er es? Leutnant Horn redete wenig, schimpfte wenig und erreichte sein Ziel auch so. Mein Zugführer war Vizefeldwebel Nesbach, ein unhöflicher grober Mensch. Ich hatte Veranlassung, ihm einmal gründlich aber unanfechtbar meine Ansicht zu sagen. Dafür bedachte er mich ebenso rücksichtslos mit Nachexerzieren von 11 – 12 und Vorexerzieren von 1 1/2 – 2 1/2 Uhr. Das fiel weiter nicht auf, weil „Knochen-Philip“ auch jeden Tag wohl ein Dutzend Kameraden zum Nachexerzieren bestellte. Ich habe in den 6 Wochen nur 16 Pfund eingebüßt. Die Kameradschaft war gut und darum war es doch noch schön. – Vom 3.9.94 bis zum 30.9.94 dauerte die letzte Übung bei dem Inf. Reg. Nr. 57 im Fort II bei Wesel. Ersatzreserve gab es nicht mehr. 250 Lehrer waren einberufen. Unser Hauptmann „Papa Beuther“, ein Haudegen erster Güte, hatte 1870 schon das Eiserne Kreuz bekommen, war aber doch nur bis zum Hauptmann gekommen. Er war unverschämt frech, auch gegen seine Vorgesetzen, das hat ihm wohl in der Beförderung geschadet. Leutnant von Droua war ein armer, unfähiger Frontsoldat, den Beuther in der rücksichtslosesten Weise behandelte, so daß wir auch vor ihm wenig Achtung zeigten. Wir lachten ihn an, wenn er tadelte. „Grinsen Sie nicht! Der Kerl grinst!“ sagte er und ging weiter. Er saß viel in seinem Zimmer, bastelte einen Entfernungsschätzer, erprobte die Durchschlagskraft der Geschosse auf Blech, Stahlblech, Zement und Draht(Stahl)beton, erdachte damals schon Schutzschilde für Schützengräben und anderes mehr. Er war also nicht dumm, er war nur kein Frontsoldat. Nach einigen Jahren sah ich ihn im Manöver als Hauptmann, also hatte er sich doch wohl noch weiter entwickelt. Als wir zu dieser Übung zum ersten Male im Fort II standen, sagte der Major Schuhmacher zu Offizieren und Unteroffizieren: „Meine Herren, wir haben hier 250 Volksschullehrer, das ist schlimmer als hätten wir 250 Sozialdemokraten, denn diese Leute können alle schreiben, Berichte schreiben für Zeitungen! Richten Sie sich danach ein!“ Beuther kümmerte das wenig, er war eben ein Haudegen! Nachexerzieren gab es bei ihm nicht. Leutnant v. Droua ließ oft einige Leute zum Nachexerzieren aufschreiben, niemand kümmerte sich darum, weder der Feldwebel noch der Unteroffizier, die Aufgeschriebenen erst recht nicht. Hätte uns Beuther nicht fast jeden Tag zur Spellener Heide gejagt, das waren allein schon 4 Stunden Marsch, so wäre das Leben auf Fort II noch schöner gewesen, als es so schon war. – Bei Ausbruch des Weltkrieges gehörte ich infolge meiner 45 Jahre dem Landsturm an und wurde nicht einberufen.
Rückführung eines gefallenen Kameraden
1916 am Narew. Lehrer Hugo Mues aus Kirchlinde fiel am 24. Juli 1915 als Offizierstellvertreter durch Granatsplitter. Er wurde auf einem kleinen Soldatenfriedhof bei Modzelli beigesetzt, mit noch ungefähr 30 Kameraden. Seine Eltern bemühten sich um die Erlaubnis, die Leiche in die Heimat holen zu dürfen. Die wurde im Januar 1916 erteilt. Bei der Ausgrabung muß ein Bekannter zu gegen sein. Das Los traf mich. Außer der Genehmigung der Generalgouvernements Warschau, der Kommandanturen Ostrolenka, Rozan, Lombza und des Generalkommandos Münster i./W. bedurfte ich eines Personalausweises der hiesigen Polizeiverwaltung. Das war bald in Ordnung, und am 6.2.1916 ging es mit vollem Rucksack los, denn im Schreiben der Kommandanturen hieß es, in Rußland seien keine Lebensmittel zu haben. Das war aber anders, ich hätte den Rucksack zu Hause lassen können.Der D-Zug brachte mich bald nach Berlin, Frankfurt a./O., Weißenhöhe. Von dort wollte ich einen Abstecher nach Lobsens machen, um meinen Sohn Joseph zu besuchen. Leider fuhr kein Zug der Wisitzer Kreisbahn, deshalb benutzte ich Pferd und Wagen. Um 7 Uhr ging es los und um 10 Uhr war ich in Lobsens. Abends brachte mich das Bähnlein in seinem Kreislauf nach Nakel, und Nachts um 12 Uhr stand ich auf dem Bahnhof Allenstein. Am anderen Morgen kaufte ich einen Sarg mit Zinkeinlage und Lötgerät für 162,50 Mark, dann ging es mit der Kreisbahn zur Grenzstation Willenberg. Hier wurde ich von Soldaten in Empfang genommen und gleich zur Grenz-, Paß-, und Zollkontrolle geführt. Dann muße ich mich um den Sarg bemühen, der zur Militäreisenbahn gebracht werden mußte. Mit der Bahn ging es bis Ostrolenka, wo ich um 11 Uhr ankam. Dort meldete ich mich auf der Kommandantur, die schickte mich zur Bürgermeisterei, die schickte mich zum Landratsamt, Rat und Hilfe fand ich nirgends. Ratlos stand ich zwischen den Trümmern der Stadt. Da schlichen durch die Ruinen einige unendlich schmierige Juden. Sie fragte ich um Pferd und Wagen, das mich nach Rozan bringen sollte: „Ei, wei, kein Wagen, keine Pferdchen, kein Weg, keine Brücke über den Narew“. Das war also nichts. Ein Landmann fragt nach meinen Wünschen. „Sie sind zu weit gefahren, durften nur bis Grabowo fahren. Wären sie vor dem Narew geblieben, könnten Sie schon in Rozan sein. Wenn Sie sich eilen, kommen sie noch zu dem Zuge nach Grabowo“. Ich hatte noch Zeit, eine russische Kirche zu sehen. Bunt! Sehr bunt! Viel Gold! Aber die Kirche war ein Kornhaus geworden. Da wurde gehämmert, gehandelt, gepfiffen, geflucht. Neben der Kirche lagen 87 deutsche Krieger, eine Krankenschwester und ein Russe begraben. Der Friedhof mit den Massengräbern lag weiter von der Stadt entfernt. In Grabowo angekommen, wird der Sarg ausgeladen und an die Straße gestellt. Die Eisenbahner, es waren Badenser, waren unhöflich. Ratlos stand ich an der Heerstraße Ostrolenka – Warschau. Am Narew sehe ich viele Leute beim Brückenbau, die Eisenbahnbrücke soll verbreitert werden, denn eingleisig reicht sie nicht aus. Da steht ein Schachtmeister mit einer gesunden Reitpeitsche. Wo sein Wort nicht reicht, dahin reicht seine Peitsche. Er ist Pole und kennt das. Für eine Zigarre besorgt er mir einen Wagen nach Rozan. Ein Berliner Kollege hat dort „das Ganze“ auf der Kommandantur. Für eine gutes Abendessen, das in alten Heringsdosen aufgetragen wird, macht er das nötige Schreibwerk in Ordnung, gestellt das Ausgrabungskommando und einen Wagen für den Begleitoffizier, so daß wir am anderen Morgen gegen 8 Uhr abfahren können. Etwa 10 Kilometer geht es zurück nach Modzelli, das an einer sanften Anhöhe nicht weit vom Narew in einem Kiefernwalde liegt. Darin liegt auch der kleine Soldatenfriedhof, der mit Birkenstämmen eingefasst ist. 3 Offiziere, 2 Offizierstellvertreter liegen in Einzelgräbern, 27 Soldaten in einem Massengrab. Helm und Hut ab! Ein kurzes Gebet. Das Ausgrabungskommando beginnt seine Arbeit. Der helle Sand ist trocken, nach halbstündiger Arbeit erscheint die Zeltbahn, mit der sich die Leiche aber nicht heben läßt, denn sie ist schon morsch. Die Leute führen einige starke Drähte unter der Leiche her, an welchen wir sie aus der Erde heben. Dem Offizier muß ich angeben, woran ich die Leiche erkennen könne. Das war nicht schwer, denn Hände, Gesicht, Leibwäsche und die Verwundungen waren noch gut erhalten. Die Soldaten sargten die Leiche ein, der Zinksarg wurde verlötet, der Holzsarg geschlossen. Neugierige Bauern halfen beim aufladen. in einem Hause wuschen wir uns mehrmals mit warmen Wasser. Das Protokoll wurde geschrieben, die 3 Soldaten bekamen 30 Mark, der Kutscher 10, dann fuhr Leutnant Franke zurück und ich fuhr nach Grabowo. Der Schachtmeister ließ mich den Sarg anheben, und nun stand er noch einige Stunden an der Heerstraße. Über mich erbarmte sich ein Pionier aus Bochum, er führte mich in eine Baracke. Da gab es wenigstens ein warmes braunes Getränk, das Kaffee genannt wurde. Abends gegen 10 Uhr war ich in Willenberg an der Kontrolle. Ein Gefreiter sollte mich sofort zur Entlausungsanstalt bringen, er war so vernünftig und brachte mich in mein altes Quartier zum dicken Dominik. Schnell zweimal Barsch und bald saßen der Gefreite und ich hinter dem leckeren Essen. Wieder eine unruhige Nacht in der Baracke. Früh ließ ich den Sarg umladen, aber ich mußte bis 4 Uhr nachmittags warten, weil die Beamten in Willenberg die Bahnfracht nicht berechnen konnten, rund 450 Mark waren es. Dann ging es wieder nach Allenstein, am folgenden Tage nach Berlin. Bis dort hatte mich der Leichengeruch begleitet. Diese Überführung hat rund 900 Mark gekostet.
Um 1902 gründete ich für Bodelschwingh, Westerfilde und Dingen einen Kirchbauverein, um Geld zu bekommen für den Bau einer kath. Kirche in Bodelschwingh. Wir haben eifrig gesammelt.
Der Uhrmacher Wilhelm Thiel kaufte 1901 die Wirtschaft und Brennerei (von) Vogel (Bodelschwingher Straße 198). Aus der Brennerei ließ er einen Saal bauen, welchen wir als Notkirche mieteten. Im Jahre 1902 wurde auf der Bodelschwingher Kirmes im Saal, das erste Mal nach dem Jahr 1621, wieder ein katholischer Gottesdienst abgehalten. (Damals war der Herr von Bodelschwingh zum Protestantismus übergetreten und hatte eine reformierte Gemeinde gegründet).
Herr Vikar Wilhelm Köster las Sonntags Frühmesse und Hochamt und Dienstags und Donnerstag (die hl. Messe). Er war ein lieber Mensch, ein frommer Priester, ein sehr guter Prediger, kam als Vikar nach Brambauer, wurde dort Pfarrer und nur ungern, aber auf besonderen Wunsch des Bischofs Probst in Werl.
Ostern 1903 bekamen wir den Vikar Helweg. Er war ein guter Redner, ein angenehmer Gesellschafter, ein Kartenspieler, ein leidenschaftlicher Raucher. Unterrichten konnte er nicht, aber er versuchte es doch wenigstens Christenlehre zu halten. Er pastorierte seine Gemeinde von der Stube aus. Die Klatschbasen unterrichteten ihn über jeden Dreck, so, wie sie es sahen. Ich riet ihm, selbst in die Familien zu gehen, sich selbst ein Urteil zu bilden. „Das kann ich nicht. Es überläuft mich kalt, wenn ich eine fremde Haustür anfasse.“ Bei besseren Leuten hatte er den Schauder nicht. Am 11.8.23 starb er nach einer Operation. Der Pfr. Thiele von Huckarde sagte mir: „Euer Anton hat sich tot geraucht“.
Heinrich Schenkel, bis dahin Vikar in Kirchlinde, wurde sein Nachfolger. Er kann alles: „Er raucht stark, er spielte Klavier, er kann flöten, er spielt Schach, er spielt Billard, er spielt Karten, er spielt die Orgel, er stimmt die Orgel, er kann anstreichen, er kann kegeln. Leider kann er nichts ordentlich. Unangenehm ist es, daß er keine durchdachte Predigt zuwege bringt, daß er mi- …
Hier enden die Aufzeichnungen „Aus meinem Leben,
des Rektors und Lehrers Friedrich Anton Beda Schopohl aus Dortmund-Bodelschwingh.
Für die Übertragung und notwendige Ergänzung (kursiv): Otto Schmidt