Ein Beitrag von Otto Schmidt mit Zitaten von Friedrich Schopohl.
Das Wirtshaus an der Kreuzung von Bodelschwingher Straße, Deininghauser Straße, Schloßstraße und Im Odemsloh wurde als Wohnhaus im Jahr 1855 von Wilhelm Schäfer gebaut.
Die nachfolgenden Zitate stammen von Friedrich Schopohl aus Bodelschwingh und sind in den Heimatblättern für Castrop und Umgebung vermutlich im Jahr 1938 oder 1939 erschienen.
Foto: Gerd Obermeit
[…] Der Wirt Albert Strotmann war als Junge Hirt bei Staupendahl in Oestrich. Er erzählte: „Es war mir peinlich, wenn ich abends neben dem Großknecht am Tische saß und Dickmilch aufgetragen wurde. Mehrere aßen mit dem Holzlöffel aus einer Schüssel. Der Karl priemte und nahm auch beim Essen den Priemen nicht aus dem Munde. Wo er mit seinem Löffel in die Dickmilch fuhr, da entstand jedes mal ein brauner Tabakstrich“. Mein Großvater war Schumacher und arbeitete auch bei den Bauern zu Hause. Weil er seinen Zinnlöffel und eine Gabel mitbrachte, nannte man ihn einen eingebildeten Schuster. Er wollte und konnte eben nicht mit den Holzlöffeln der Bauern essen, die, nicht gespült, nur abgeleckt, hinter einem Riemen am Tische aufbewahrt wurden. Dann kam der Hofhund, der die Löffel noch einmal ableckte. […]
[…] Schäfer=Strotmann. Wilhelm Schäfer kam zu Anfang des vorigen Jahrhunderts als Ackerknecht nach Bodelschwingh. Sein Sohn Fritz Schäfer wurde Schreiner, machte für eine Tochter des Bauern Hohe [Schloßstraße Nr. 33] die Aussteuer und bekam dafür ein kleines (!) Gartenstück an der Ecke Bodelschwingher und Schloßstraße. 1855 erbaute er darauf ein kleines Haus. Sein Schwiegersohn, Schuhmacher Albert Strotmann erbte, bekam die Wirtschaftskonzession und vergrößerte das Haus durch einen Anbau (zur Bodelschwingher Str.). […]
Hinweis zur Abbildung:
Diese Postkarte wurde als Kopie aus der Sammlung von Herrn Klaus Winter vom Historischen Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark zur Verfügung gestellt.
Der Wirt Albert Strotmann hatte vier Söhne. Drei Vornamen sind z. Zt. bekannt: Albert, Wilhelm und Otto.
- Der Sohn Albert führte die Wirtschaft weiter.
- Der Sohn Wilhelm baute 1908 an der Straße „Im Odemsloh“ ein Wohnhaus; das Grundstück war Eigentum seines Vaters Albert gewesen. Wilhelm war Lehrer und Rektor (nicht in Bodelschwingh; wo, ist z. Zt. unbekannt).Von Wilhelm erbte das Haus dessen Sohn Herbert Strotmann (Stadt)Amtmann, der es nach dem Jahr 1999 verkaufte. Vor seinem Auszug schenkte mir Herr Strotmann ein „Allgemeines Fremdwörterbuch“, Ausgabe 1908. Als Besitzer ist eingetragen: Wilh. Strotmann.
- Der Sohn Otto wohnte in Dingen an der Mengeder Straße 254 (Fachwerkhaus). Er war als Amtmann bei der Stadt Castrop-Rauxel tätig. In der Zeitschrift „Castrop-Rauxel, Kultur und Heimat“, Nr. 9/1951 vom 18.4.1951 schreibt er über „Die Gemeinden Ickern, Dingen und Deininghausen des ehemaligen Amtes Mengede.“
Die Eheleute Albert Strotmann (jun.) hatten drei Töchter:
- Klara (Klärchen) verh. Renkhoff. Ihr Mann war Backmeister in der Bäckerei und Conditorei Hugo Thiemann in Bodelschwingh. Aus der Ehe stammt die Tochter Renate, verwitwete. Westphal.
- Hermine, verh. Völkmann (Emil, Fabrikant). Aus der Ehe stammt Klaus Völkmann.
- Renate (Reni), verh. Korte. Ihr Mann war Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg gewesen.
Der Ortschronist Friedrich Schopohl sen. beschreibt 1938 die Vermögensaufteilung so:
„Nach dem Tode der Eheleute Albert Strotmann (jun.) kam die Wirtschaft durch Erbteilung und Verkauf an Ewald Hegemann (Deininghausen, s. a. Fuckmühle). Hegemann erwarb die Wirtschaft und die Lagerscheune (das spätere SA- oder „Braune – Haus“ s. u.). In der Straße Im Odemsloh rechts von dem Haus von Wilhelm Strotmann. 1927 verkaufte er die Wirtschaft mit dem Bier-Garten an Richard Wiemann, der aus Schwieringhausen stammte. …“
Anmerkung zur Abbildung:
Die Aufnahme wurde 1936 gemacht. Inhaber und Eigentümer der Wirtschaft ist Richard Wiemann.
Foto: Herimatverein
Das Wirtshaus hieß jetzt: Restaurant und Wirtschaft „Zum Schloßgarten“. Vor dem Eingang stand eine Zapfsäule für Benzin; wahrscheinlich die erste „Tanke“ in Bodelschwingh.
Die Eheleute Wiemann hatten eine Tochter. Sie wurde von der Haushälterin Frau Lina Schulte (Tante Lina), selbst nicht verheiratet, versorgt und großgezogen. Vor oder nach dem Kauf der Wirtschaft verstarb Frau Wiemann.
Ilse Wiemann heiratete den Bauern Heinz Renkhoff in Nette (dieser Besitz war nach der Aufgabe des bäuerlichen Betriebes zeitweise ein Seniorenheim).
Nach dem Tod von Herrn Wiemann war Frau Schulte Inhaberin der Gastwirtschaft. Frau Schulte, die Jahrzehnte die Wirtschaft betrieb, war beliebt bei Alt und Jung, hatte auch für uns Kinder immer ein freundliches Wort oder ein Bonbon (aber nur am Schalter!). So wie der Wirt Gustav Bergmann hat sie eine bleibende Erinnerung in unserem Herzen.
Nachdem Frau Schulte aus Alters- und Krankheitsgründen die Wirtschaft nicht mehr führen konnte, war Hans Manns (darüber ist z. Zt. noch nichts weiteres bekannt), danach die Familie Wilhelm Hirsch neuer Inhaber. Tante Lina, wie wir sie nennen durften, hatte eine kleine Wohnung im ersten Stock, neben der Veranda. Frau Ilse Renkhoff geb. Wiemann, hat sich sehr um ihre alte und kranke Pflegemutter gekümmert.
Nach dem Tod von Frau Schulte hat Frau Renkhoff die Liegenschaft „Wirtschaft Wiemann“ an die Familie Paul und Maria Becker verkauft, die dann den Betrieb weiterführte. Als gelernter Maurer führte Herr Becker auch seinen vorherigen Betrieb weiter und zog damit von Witten auf den Hof Staupendahl. Sein vielleicht noch bekannter Helfer mit dem Spitznamen Jesus sorgte mehrfach im Ort für Aufregung; aber das ist eine andere Geschichte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Lagerscheune gegenüber der Wirtschaft, der frühere Besitz von Hegemann, das ehemalige SA- oder „Braune – Haus“) als Wohnhaus umgebaut. Es war Jahrzehnte Eigentum und Heim der Familie Meitinger. Das Haus war klein wie eine Puppenstube, doch die Wohnungsnot nach dem Krieg zwang zu Kompromissen.
Nach der Rede der „Alten Bodelschwingher“ soll die Lagerscheune im 19. Jahrhundert ein Stall für Vorspannpferde gewesen sein. Die halfen zusätzlich schwere Gespanne den Bodelschwingher Berg, den Landweg nach Westhofen (heute Castrop-Rauxel, Ortsteil Schwerin) hoch zu ziehen. Dafür gibt es aber keinen schriftlichen Beleg.
Das ehem. Grundstück von Herbert Strotmann in der Straße im Odemsloh hat einen rel. schmalen Zuschnitt. Ein Teil seines Gartens war Pachtland und im Besitz der Familie zu Innhausen und Knyphausen. Es ist zu vermuten, daß die Wirtschaft, das ehem. Grundstück Meitinger und das Grundstück Strotmann Anfang des 19. Jahrhunderts zusammen gehörten.
Anmerkung zur Abbildung:
Das Haus der Familie Meitinger nach dem Verklauf an die Stadt Dortmund und kurz vor dem Abriß. Die Fläche sollte den Kreuzungsbereich erweitern und entschärfen. Dies ist bis heute nicht geschehen.
Foto: Friedhelm Kopperschläger
Nachfolgend einige Bilder der Wirtschaft und der Nachbarschaft, chronologisch geordnet:
Anmerkunmg zur Abbilödung:
Dieses Bild wurde um 1923 (?) von Friedrich Schopohl jun. aufgenommen. Es zeigt den Kreuzungsbereich Deininghauser-, Bodelschwingher- und Schloßstraße (vormals Landweg nach Westhofen) mit der Einmündung der Straße Im Odemsloh. Ein Teil des Grundstückes Hegemann an der Lagerscheune ist schon abgetragen, um den engen Kreuzungsbereich zu erweitern. Wann die Scheune selbst umgebaut oder abgetragen wurde, ist nicht bekannt. Das Fachwerkhaus im Hintergrund war eines von den Häusern der Botengänger der Grundherrschaft Bodelschwingh (Bachtrop … Raulf, heute Gronwald) hinter dem Garten von Bauer Staupendahl.
Foto: Archiv Heimatverein
Anmerkung zur Abbildung:
1923: Die Franzosen haben in Bodelschwingh (auf dem Hof Staupendahl) Quartier bezogen und sind aufgesessen zum Ritt zur Zeche Westhausen. Dahinter: Die Wirtschaft von Albert Strotmann. Standort des Fotografen: Hof Staupendahl. Foto: Friedrich Schopohl jun.
Helga Wiese, verh. Vollmer überlegt, ob sie bei Tante Lina eine Tüte Brause kaufen soll. Dann ist sie nicht mehr zu bremsen.
Anmerkung zur Abbildung:
Gastwirtschaft „Tante Lina“, Kreuzung Bodelschwingher Str. / Schloßstr. Anfang der 60-er Jahren. Vorn, links: Schloßgärtner und Jäger Wilhelm Kay, daneben Lehrer und Rektor Fritz Neuhaus. Beide wollten den Schützenverein Bodelschwingh in den 1960er -Jahren neu gründen.
Foto: Archiv Heimatverein
Anmerkung zur Abbildung:
Gastwirtschaft „Tante Lina“ um die gleiche Zeit, jetzt farbig aufgenommen. Links die DEA Tankstelle, Inhaber: Helmut Tösmann.
Foto: Heimatverein
Text: Otto Schmidt / Fotos: Otto Schmidt und Heimatverein Bodelschwingh und Westerfilde e.V.