Heimatblätter , Nr. 10 Oktober 1924,
von Rektor Friedrich, Anton, Beda Schopohl, Bodelschwingh
In Sachen des Kammerherrn von Bodelschwingh – Plettenberg Klägers :/: verschiedene Eingesessene des Gerichts Bodelschwingh, nämlich wider den Schulte Lebbing, Tabe, Zur Nedden, Hohe, Ruthmann, Erdelhoff, Möllmann, Alef, Stamm, Leßmöllmann, Knuef, Wulff, Emsinghoff und Grasmann Beklagte erkennt der Ober-Appelations-Senat der Landesregierung zu Münster den Akten gemäß hierdurch für Recht, daß Kläger mit seiner , wider obbemeldete Eingesessene angebrachten Klage, wie heute geschieht, abzuweisen, auch schuldig die Kosten des Prozesses allein zu tragen. Das Urteil ist übrigens dem gesetzlichen Dimensionsstempel unterworfen.
Gründe: Kläger verlangt von den Beklagten vor wie nach die Leistung der ihnen bisher obgelegenen Spanndienste, Beklagte aber haben sich auf das allerhöchste Dekret vom 12. Dez. 1808 berufen, wodurch die Leibeigenschaft im Großherzogtum Berg völlig abgeschafft worden und sie als bisherige Leibeigene von allen Diensten unentgeldlich befreit worden wären. Nun hat zwar Kläger durchaus in Abrede gestellt, daß die Beklagten als wirkliche Leibeigene zu betrachten, indem notorisch keine Leibeigenschaft existiere und nie existiert habe, so daß das oben bemerkte Dekret auf diese Provinz niemals Anwendung leiden könne. Soviel Unkunde es indessen auf der einen Seite verräth, und so sehr man wesentliche Criterien mit zufälligen Eigenschaften verwechselt, wenn dann und wann einseitig behauptet worden, daß alle Bauern in der Grafschaft Mark ursprünglich Leibeigene gewesen, und sogar als solche noch jetzt betrachtet, mithin das Kaiserliche Dekret auf sie angewendet werden müsse, so ist doch auf der anderen Seite die Behauptung des Klägers zu gewagt, wenn er aus derselben einen exemtorischen [berechtigten] Einwand gegen die Beklagten herleiten will. …
[Die Texte aus den Heimatblättern (s. o.), Seite 166, Abs. 3 und Seite 167, Abs. 4 sind in diesem Beitrag ausgelassen. Sie sind dem juristischen Laien und heutigem Leser vermutlich kaum verständlich und nicht „Sinn erhellend“.]
Nun aber erhellt nicht allein aus sämtlichen Gewinnbriefen der Verklagten, daß sie sich in Eigentum befunden haben, sondern es geht sogar aus der Designation des Gutsherren selbst hervor, daß er die Beklagten mit Ausnahme des Quackmann selbst als Leibeigene genannt und also auch aufgeführt hat. Der Quackmann ist nun zwar als Leibgewinner vorgemerkt worden, allein aus dem Gewinnbriefe desselben ergibt sich auch, daß er sich als ein sonst freier Mann auf das Gut eigen gegeben und sich nur ein Kind unentgeltlich als frei Vorbedung , wenn solches seine Dienste geleistet haben werde; endlich setzen aber auch hier und da die beigebrachten manumissions [Befreiungs] Scheine die Eigenhörigkeit der Beklagten außer Zweifel. Der Grund, daß die Leibeigenschaft deshalb nicht anzunehmen sei, weil den Colonen die Güter nur auf Lebenszeit gegeben worden, hebt den Beweis der Leibeigenschaft ebenso wenig auf, denn einmal ist es überhaupt nicht immer notwendig, daß Leibeigene ein wirkliches Erbrecht haben. […] In hiesigen Gegenden schließt aber nach überdies die lebenslängliche Gewinnung keineswegs das Erbrecht aus, da diese Zeitbestimmung sich nur auf den Gewinn, nicht aber auf das Recht zum Besitz des Gutes erstreckt. – Ebenso unerheblich ist das in Bezug genommen Präjudiz in Sachen Rauxel-Bodelschwingh, indem dasselbe einen andere rechtliche Rücksicht im Auge hatte, in jedem Falle aber zu keiner Entscheidungsform dienen darf.
Aus allem ergibt sich und besteht daher das Resultat, daß Beklagte Leibeigene sind, und mithin auf die Befugnis der Dienstbefreiung Anspruch machen können, sowie solche das Dekret vom 12. Dez. 1808 verordnet, wodurch daher die Abweisung des Klägers sich rechtfertigt. Da übrigens beide Theile mit Übergehung erster Instanz auf die Entscheidung des Ober-Appelations-Senats compromittiert haben, so ist die Competenz desselben begründet und kann es auch zur Ersparung von Zeit und Kosten keinen Anstand finden, in Betreff sämtlicher Angeklagten bei gleichen Verhältnissen in einem Urteil die Entscheidung zu vereinigen. Der Kostenpunkt rechtfertigt sich endlich bei der Succumbenz [unterliegen] des Klägers durch die gesetzlichen Vorschrift […].
Von Rechts Wegen.
Also geschehen und geurteilt zu Münster den 2. Dez. 1809
von Rohr, von Lotten.
Publicatum [bekannt zum machen] im Gericht Bodelschwingh, den 30. Jan. 1810.
In Sachen des Kammerherren von Bodelschwingh-Plettenberg Klägers und Revidenten, wider verschiedene Eingesessene des Gerichtes Bodelschwingh, namentlich [gleiche Namen s. o.] ist auf die erstatteten Vorträge für Recht erkannt, daß das Urteil des Ober–Apellations-Senats der Regierung zu Münster vom 30. Jan. 1810 mit Fälligkeitserklärung des Revidenten in die Kosten dieser Instanz und in eine Succumbenzstrafe [Geld, das im Vorhinein bei Gericht hinterlegt und bei unterliegen eingefordert wird] von 4 Rthlr. zu bestätigen sey.
Gegenwärtiges Urteil ist bloß dem Dimensionsstempel unterworfen.
Also geschehen und geurteilt beim 11. Senat des Großherzoglichen Ober-Appelations-Gericht zu Düsseldorf am 5. Jenner 1811. Aus Sr. Kaiserl. Königl. Majestät allerhöchsten Befehle
Fuchsius Schulten
Für gleichlautende Ausfertigung Düsseldorf, den 5. Jenner 1811.
Schulte, Seer.
Publikatum im Gericht Bodelschwingh, den 22. Febr. 1811 und für gleichlautende Abschrift Lemmer
Vorstehende Abschrift wird als mit der gerichtlichen Ausfertigung gleichlautend attestiert. Urkundlich meines beigedruckten Amtssiegels und eigenhändiger Unterschrift.
Dortmund, den 31 August 1831.
Heinrich Beurhaus
Königl. Preuß. Justizkommiss. bei dem Land- u. Stadtgericht zu Dortmund und öffentlicher Notar in dem Dezernat des Königl. Ober-Landesgericht zu Hamm.