und die Sprache der Bergleute
Hinweis: Mit diesem Beitrag endet die Serie von 10 Beiträgen, die wir seit Anfang Juli veröffentlicht haben. Die vorhergehenden Beiträge können unter der Rubrik „Geschichtliches/Dorfgeschichten“ aufgerufen werden. Für Ihr/Euer Interesse an der Artikel-Serie sage ich für den Heimatverein-Bodelschwingh-Westerfilde und für mich ganz herzlichen Dank.
Unsere Hoffnung auf ein Ende der Corona-Pandemie hat sich bis jetzt leider nicht erfüllt. Deshalb: Bleibt stark, wachsam, geduldig und gesund! Herzlichst Ihr/Euer Otto Schmidt.
Ein persönliche Vorbemerkung.
Der Bergbau lässt mich nicht los, auch nicht im Ruhestand.
Anmerkung zur Abbildung:
Nach der Grubenfahrt auf dem Bergwerk Heinrich Robert um 1980 (nach einer Meßgeräte-Untersuchung).
Foto: Eckehard Jahnke
So empfinde ich noch nach vielen Jahren, nachdem ich 1999 in den Vorruhestand gegangen bin, nachdem 2018 das letzte aktive Steinkohlenbergwerk Prosper „dicht gemacht“ wurde.
Mit meinen Empfindungen bin ich nicht allein: Einige Männer in unserem Heimatverein waren im Bergbau oder bergbaunahen Betrieben beschäftigt, verdienten dort ihr Brot. Seit einigen Jahren arbeiten wir vom Heimatverein mit dem Geschichtskreis Westhausen (früher REVAG) zusammen. In diesem Kreis überwiegt die Zahl der Bergmannsfrauen; die meisten von ihnen sind im Witwenstand.
Bergmänner erzählen gern. So kommt es, dass sich ihre Frauen oft ganz gut an ihrem Arbeitsplatz auskennen. Ihnen sind aber manchmal die Begriffe aus der Arbeitswelt ihres Mannes unklar oder fremd, ganz davon abgesehen, dass der Großvater vielleicht auch schon „auf Zeche war“… und der Enkelin vom „Pütt“ erzählt hat. …
Auf diesen Personenkreis zielt der nachfolgende Beitrag und natürlich auf alle Leser, die dem Bergbau nahe stehen. Er ist von einem Schüler verfasst, der sich in diese Begriffs-Welt erst einarbeiten musste. Soviel sei vorweg gesagt: es ist ihm gut gelungen. Der Beitrag ist auch deshalb von Interesse, weil er mit seinen Begriffen den Übergang vom kleinen „Pütt“ an der Ruhr zu dem industriellen Bergbau zwischen Emscher und Lippe wieder spiegelt.
Das Lesen des Artikels gelingt nicht ohne Mühe und regt vielleicht zu einem Gespräch im Freundes- oder Bekanntenkreis ein. Der Lohn, oder die „Ausbeute“ wie der Bergmann sagt, ist dann um so größer.
Eine Anmerkung zur Technik: Wer das schnelle Auffinden der Bedeutung der Begriffe mit Hilfe der Fußnoten nutzen will, klickt mit der linken Maustaste auf die Fußnote, dann auf die Cursortaste „eine Zeile nach oben“ und liest die Bedeutung. Um zurück zum Text zu kommen: ein Klick auf die Fußnote und dann eine Zeile nach oben …
Aus Heimatblätter für Castrop und Umgegend, Nr. 10, Oktober 1924
Ein Beitrag von (Schüler) Felix Münning, Castrop
Die Bergmannssprache und die Sprache der Bergleute
Hast du, lieber Leser, schon einmal darüber nachgedacht, weshalb man den Mann, der in die Tiefen der Erde steigt, „Bergmann“ nennt, als wenn er ein Bergsteiger wäre? Nun, der Name rührt daher, daß der Bergbau ursprünglich nicht ein Tiefbau war von oben nach unten, sondern dort, wo die „Flöze“ zutage treten, ein Stollenbetrieb war, von der Seite in das Innere des Berges, in dem die Kohle lagert, so wie sie noch heute auf den Ruhrzechen gefördert wird. Der Bergmann nennt daher seine Arbeitsstätte den „Kohlberg“ oder den „Pütt“[1], die „Grube“[2], wofür die hochdeutsche Bezeichnung Bergwerk oder „Zeche“[3] ist. Dort unten im Schoße der Erde lebt der Bergmann nur mit seinesgleichen zusammen. Andere Eindrücke, als wie sie sich aus seiner eigenartigen Beschäftigung und dem Umgang mit dem „Kumpel“[4] ergeben, bleiben ihm fern. In früherer Zeit wurde der Bergmannsstand in hohen Maße begünstigt. Die Bergleute trugen sogar besondere Uniformen, die heute noch von Bergschülern und bei festlichen bergmännischen Aufzügen getragen werden. Sie hat als besonderes Abzeichen „Schlegel und Eisen“[5], früher gebräuchliche Gezähestücke [Werkzeuge].
So hat sich auch mit der Zeit eine besondere Sprache und Ausdrucksweise herausgebildet, die auch heute noch bei den Bergleuten üblich ist. Wenn der Bergmann an irgendeiner Stelle Kohlen oder sonstige Mineralien vermutet, so „schürft“[6] er, d. h. er zieht Gräben durch das Gelände, die er bis auf das feste Gestein aushebt und quer zu den erwarteten Flözen oder Gängen anlegt. Dort, wo das Deckgebirge zu mächtig ist, gräbt er bis auf das Gebirge einen „Pütt“, einen kleinen „Schacht“[7]. Wenn er „fündig“ geworden ist, legt er bei der Bergbehörde „Mutung“[8] ein, worauf diese das Feld absteckt, die „Markscheiden [Grenzen]“ festlegt und es ihm dann „verleiht“. Erst jetzt beginnt der eigentliche Bergbau. Man treibt da, wo die „Kohle“ zutage tritt, einen „Stollen“[9] und sucht dann die „Flöze“[10] oder Lagerstätten auf. In hiesiger Gegend, wo die Kohle vom Mergel überlagert ist, „teuft“[11] man Schächte ab und such dann durch „Querschläge“ die Flöze auf. Die Lagerstätten oder Flöze liegen selten „flach“; fast immer sind sie „geneigt“. Die Richtung dieser Neigung nennt der Bergmann „[das] Einfallen“, die Erstreckung der Flöze in rechtwinkliger Richtung zum Einfallen hingegen „Streichen“. Sind die Schächte in senkrechter Richtung abgeteuft, nennt der Bergmann sie „seiger“[12]. Liegen sie in der Lagerstätte selbst oder in ihrem Einfallen, heißen sie „tonnlägig“. die verschiedenen Abteilungen im Querschnitt werden als „Trumme [Einzahl: Trumm]“ bezeichnet, und man unterscheidet „Fördertrumm“, „Fahrtrumm“, „Pumpentrumm“, „Wettertrumm“ etc.
Wenn der Bergmann zur „Schicht“[13] geht, hängt ihm zur Seite der blecherne Kaffeebehälter, den er an einem Bindfaden über der Schulter trägt. „Pulle“, „Bütte“, „Blech“ nennt er seinen unzertrennlichen Begleiter. Auf der Zeche angelangt, begibt er sich, wenn er die „Markenkontrolle“ hinter sich gelassen hat, in die „Kaue“[14] oder das Zechenhaus. Ursprünglich bildete die Kaue eine große Halle mit anstoßendem Büro, die hauptsächlich zum Verlesen der Namen diente, was früher an Stelle der heutige Markenkontrolle geschah. Hier wurde auch vor der „Anfahrt“ vom „Steiger“ ein Gebet gesprochen. Je nach dem Zwecke, dem die Kaue dient unterscheidet der Bergmann „Waschkaue“, „Lampenkaue“ etc. Der Bergmannsgruß „Glück Auf!“ ist auch heute noch nicht aus der Bergmannsprache verschwunden, wenn er auch außerhalb des Zechenbetriebes selten angewandt wird. Auf der Zeche selber kennt man keinen anderen Gruß. Er wird aber meistens gedankenlos gebraucht, und nur wenige sind sich seines tiefen Sinnes bewußt. Er enthält einen zweifachen Wunsch zu der Grubenfahrt, nämlich eine glückliche Heimkehr und Glück bei der Arbeit.
Hat sich nun der Bergmann mit einer Lampe versehen, so „fährt“ er „an“. Nach dem Verlassen des „Förderkorbes“ betritt er das „Füllort“ und „fährt“ dann „vor Ort“, wie denn der Bergmann überhaupt jegliche Fortbewegung als „fahren“ bezeichnet. Sein Werkzeug nennt der Bergmann „Gezähe“[15]. Die Kohle wird „gehauen“, und um sie zu lockern, wird sie „geschrämt“[16] und „gekerbt“. Falls die Hacke zur Hereingewinnung nicht ausreicht, wird sie mit dem „Fimmel“[17] und „Treibfäustel“[18] bearbeitet. Zum Bohren im Gestein bedient sich der Bergmann des Bohrers und „Treibfäustels“. Es treten aber heute vielfach an die Stelle dieser Werkzeuge Bohrmaschinen. Zum Reinigen der Bohrlöcher benutzt er den „Kratzer“. Das Bohrloch wird mit Pulver und Zünder besetzt, und nach dem Abtun [der Schüsse] wird das Ort „beräumt“, d. h. es werden die an dem „Stoß“ oder der „Firste“ durch den Schuß gelösten, jedoch hängen gebliebenen Stücke mit der Hacke hereingerissen. Die gewonnenen Massen [der Abschlag], das „Fördergut“, Kohlen oder „Berge“, lädt der Bergmann in Förderwagen oder, wenn eine Umladung erforderlich ist, in „Teckel“[19]. Das eigentümliche knisternde Geräusch, das durch das herausquellen des Wassers und der Gase aus den Poren der Kohle entsteht, bezeichnet der Bergmann als „Krebsen“[20]. Plötzliche starke Gasausbrüche aus „Klüften“ werden „Bläser“ genannt. Der mit dem Fortschaffen der Wagen beschäftigte Bergmann heißt „Schlepper“. Diese Bezeichnung stammt aus früherer Zeit des Bergbaus, wo der Bergmann unter den primitivsten Verhältnissen kriechend den „Hund“ oft an einem Bein hinter sich herschleppte. Die Gewinnung der Kohle wird von dem „Hauer“ ausgeführt, ebenso die Gesteinsarbeiten und der „Ausbau“. Man unterscheidet daher auch „Kohlenhauer“, „Gesteinshauer“, „Schachthauer“, „Zimmerhauer“ etc. [Nicht mehr benötigte Strecken werden von „Räubern“ ausgeraubt, d. h. noch brauchbares Holz und Schienen werden ausgebaut.] Der älteste Hauer der Kameradschaft ist der „Ortsälteste“, der dem Steiger für die ordnungsmäßig ausgeführte Arbeit verantwortlich ist. In Schüttelrutschenbetrieben wird er spottweise auch als „Ortsesel“, „Rutschenesel“, [oder als Rutschenbär] bezeichnet. Die Kohlen werden in „Bremsbergen“, in denen als Gegengewicht ein Teckel läuft, oder auch im „Stapel“[21], der „ein- oder mehrtrummig“ sein kann, zur „Sohle“ gefördert. In den „ausgekohlten“ Raum [den „Alten Mann“] bringt der Bergmann den „Bergeversatz“ hinein. Zu einer Hauerkameradschaft gehören daher auch immer einige „Bergeversetzer“, eine Bezeichnung wie sie im Mittelalter höchstens den Göttern zuerkannt wurde. Meistens verlangt die Beschaffenheit des Gebirges einen „Ausbau“. Bei gutem Gebirge setzt der Bergmann „Stempel“[22] mit „Anpfahl“, während er bei schlechtem Gebirge „Schalhölzer“ legt. Beim Streckenausbau wird die halbe oder ganze „Türstockzimmerung“, „Stempel“ mit „Kappen“ und „Spitzenverzug“ gesetzt. Die Schächte baut der Bergmann mit „Jochen“ und „Kappen [verlorene Zimmerung]“ aus, auch als „Bolzenschrotzimmerung“ oder als „Schrotzimmerung“ bezeichnet. Die Trumme in den Schächten werden durch „Einstriche“ abgeteilt. Das „erschrotene“[23] Wasser wird durch die „Wasserseige“[24] zum „Sumpfe“ abgeleitet, aus dem es durch die „Wasserhaltung“ zu Tage gehoben wird. die Frischen „Wetter“ werden durch „Wetterröschen“[25], „Wetterlutten“ oder „Wetterscheider“ vor Ort geführt. Die Drosselung [und Trennung] der „Wetterströme“ erfolgt durch „Wettertüren“ und wird durch den „Wettersteiger“ angeordnet. Täglich werden die einzelnen Betriebspunkte vom „Feuermann“ befahren und auf das Vorhandensein von „Schlagwettern“ untersucht [abgeleuchtet]. Die Beaufsichtigung der Arbeiter obliegt dem „Steiger“, dem „Fahrhauer“ zur Seite stehen. Die [Ver]Messungen in der Grube werden vom „Markscheider“ vorgenommen, der auch das Grubenbild anfertigt. Er hängt auch in die Strecken die „Brahne“ oder „Stunde“, damit der Hauer sich nicht „verfährt“. Das Ansteigen der Strecken stellt er durch „Höhenmessungen“ fest. Der Förderaufseher wird spottweise „Bolz“ genannt. Uebt dieser seine Tätigkeit am Schacht aus, so erhält er die Bezeichnung „Plattenbolz“, weil das Füllort, an dem er sich meistens aufhält, vielfach mit Platten belegt ist. Liegt hingegen das Feld seiner Betätigung in der Strecke, so heißt er „Streckenbolz“ oder auch „Strossenbolz“[26], da in die „Strosse“ häufig die entgleisenden Wagen hineinfallen, die er dann wieder herausschaffen muß. Zur Bedienung am Füllort ist der „Anschläger“ da, der noch „Beischlepper“ bei sich hat. Ueber Tage auf der „Hängebank“ bedient der „Abnehmer“ den Korb. Dieselbe Bezeichnung hat man auch in der Grube für die Bedienung von „Bremsbergen“ und „Blindschächten“. Die Bedienung des Korbes bei der Produktenförderung nennt der Bergmann „anschlagen [von Anschläger]“.
Manche Ausdrücke der Bergmannssprache sind in die Umgangssprache aufgenommen worden, wie „Ausbeute“, „zu Tage fördern“, „schürfen“ und dgl. mehr.
Der vorliegende Aufsatz, dessen Veröffentlichung ein erfahrener Fachmann nach Durchsicht befürwortete, ist die Arbeit eines Obersekundaners. Ich nehme an, daß der Aufsatz bei den Lesern der Heimatblätter, die auf der Kohle und vielfach von der Kohle leben, Teilnahme findet. Die schwer verständlichen bergmännischen Ausdrücke werden in den Anmerkungen erklärt.
Der Herausgeber
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[1] Hochdeutsch Pfütze von lat. puteus Brunnen, Grube, franz. puits, engl. pit.
[2] Grube, zu Grab, graben.
[3] Zeche, deutsch identisch mit Zeche = Wirtsrechnung. Ursprünglich „Reihenfolge“, „Gesellschaft zu gemeinsamen Zwecken“, dann „Gewerkschaft von Bergleuten“, schließlich „das einer solchen verliehene von ihr bearbeitete Grubenfeld.“
[4] Kumpel, hochdeutsch Kumpan, beide von franz. Compagnon (lat. kompanis) = Brotgenosse.
[5] Schlegel = Werkzeug zum schlagen, von „schlagen“
[6] schürfen, verwandt mit scharf, schröpfen = ritzen, von der Oberfläche entblößen, aufschneiden.
[7] Schacht = niederdeutsche Form von Schaft, Gang im Bergbau.
[8] Mutung „Gesuch an die Bergbehörde um Verleihung des Bergwerkseigentums“ von muten (vermuten) = seinen Sinn (Mut) auf etwas richten, etwas begehren, nachsuchen.
[9] Stollen: zu stellen, Stütze, Pfosten, in einen Berg getriebener waagerechter Gang.
[10] Flöz = mittelhochdeutsch: vletze, Tenne, Hausflur, waagerechtes flaches Erz- oder Kohlenlager, verwandt mit flach und Fladen.
[11] teufen durch Umlaut aus taufen, in die Tiefe treiben.
[12] Seiger zu mittelhochdeutsch: sigen = sinken, sich neigen, senkrecht abtröpfeln; Seiger = Wasser- oder Sanduhr, Waage.
[13] Schicht von schicken, geschehen = Anordnung, Einteilung, Reihe, bestimmte Anzahl Arbeiter, bestimmte bergmännische Arbeitszeit.
[14] Kaue = altes Lehnwort aus lat. covea (cauja) Höhle, wovon auch Käfig und Koje (Schlafraum auf Schiffen) stammen.
[15] Gezähe zu mittelhochdeutsch zouwen [?]. Gezäh, Gezäu, Gezeug = das gesamte Werkzeug des Bergmanns.
[16] geschrämt zu Schram, langer, tiefer, schlitzartiger Aushieb ins Gestein; vgl. Schramme = Riß, lange eingerissene Wunde, schrammen.
[17] Fimmel = eiserne Keule der Bergleute, Herkunft ungewiß.
[18] Treibfäustel und Handfäustel = Hammer der Bergleute zu Faust = geballte Hand.
[19] Teckel (oder Hund), oberdeutsch Dackel, vielleicht von Dächsel = Hundeart zum Dachsfang.
[20] Krebsen, angeblich daher, weil es sich so anhört wie das Geräusch, das von Krebsen in einer Blechschüssel hervorgerufen wird.
[21] Stapel niederdeutsch, hochdeutsch Staffe = Stütze, Grundlage, Gestell, Haufen, aufgehäufte Waren.
[22] Stempel mit Stapel, stampfen verwandt.
[23] schroten zu schroten = hauen, abschneiden; vgl. den Eigennamen Schröter (Schröder)
[24] Wasserseige: oft parallel zum Fahrweg verlaufender Sammelgraben für Grubenwasser.
[25] Wetterrösche: Wetterloch, Verbindungsloch aus der Strecke bis zum Tage (einige Meter), Luftschacht.
[26] Strosse, s. a. Stoß, unterer Teil der Strecke, in der das Flöz liegt. (z. B. Altbergbau, südl. der Ruhr)