Auszug aus der Chronik der katholischen Kirchengemeinde Maria Heimsuchung
Chronist: Pfarrer August Stöcker / 1999 abgeschrieben von Franz Heinrich Veuhoff .
Bodelschwingh und Westerfilde
Auch 1943 stand unter dem Zeichen des unseligen Krieges, ohne dass ein Ende abzusehen war. …Unsere Pfarrgemeinde hatte mit verhältnismäßig geringen Verlusten zu rechnen. Ungefähr 30 Tote hatten wir zu verzeichnen. Leider wurden sechs dieser Kämpfer von den religionslosen Angehörigen dem hiesigen Pfarramt nicht gemeldet. Indes hatte in diesem Jahre die Gemeinde schwer zu leiden unter den feindlichen Fliegerangriffen, zumal zwei große Angriffe im Mai auf Westen und Osten von Dortmund erfolgten. Aber nicht allein das:
Bodelschwingh war durch seine geographische Lage besonders gefährdet durch die Angriffe auf Bochum und hat dadurch tatsächlich mehr Schaden gelitten als bei den Angriffen auf Dortmund, da zweimal ein Hagel von Brandbomben über Bodelschwingh herabregnete und zwar gerade im Bezirk Odemsloh – Rohdesdiek.
Im großen Ganzen konnten wir von Glück sprechen, da die meisten der zahlreichen Brandbomben ihr Ziel verfehlten und ins freie Feld fielen. In einzelnen Wohnungen entstanden Zimmerbrände, so in unserer Nachbarschaft, in der Apotheke und bei unserer Küsterin Frau Pieper, die aber durch ihr eigenes mutiges Eingreifen das Schlimmste verhütete. Am Portal der Kirche, dicht an der Treppe, machten die letzten Bomben halt. Einen halben Meter weiter, und sie wären durch das Dach ins Orgelwerk gefallen und somit leicht die ganze Kirche ein Opfer der Flammen geworden. …
Auch 1944 noch immer das grausige Bild des unseligen Krieges. Draußen an der Front furchtbare Kämpfe unter unmenschlichen Opfern. In der Heimat sinken ganze Städte und Dörfer unter dem unheimlichen Bombenhagel der Feinde in Schutt und Asche. Wie alle übrigen Großstädte fiel auch Dortmund in diesem Jahre fast völliger Zerstörung anheim. …So wurden am 24. Mai besonders der Süden und der Stadtteil Hörde schwer heimgesucht, wobei auch die kunstvolle Stiftskirche dem feindlichen Terror zum Opfer fiel. Einen der verheerenden Angriffe erlebten wir am 6. Oktober der das gesamte Stadtinnere fast vollständig zerstörte und so Dortmund das Gepräge einer toten Stadt gab.
Weit mehr als aber die Angriffe auf Dortmund wurde die Bevölkerung durch die Angriffe auf die Stickstoffwerke des benachbarten Ickern in Schrecken versetzt. Tag für Tag erlebte Bodelschwingh in den ersten 10 Tagen des Monat November diese geradezu grauenhaften Bombardements auf Ickern und Umgebung und das im Tage meist zwei, dreimal. Der untere Teil von Bodelschwingh an der Deininghauser Straße wurde bei dieser Gelegenheit hart mitgenommen. Einige Wohnhäuser wie Gärtner Möhlmeier und die Familie Griemmert wurden völlig zerstört, andere Häuser schwer beschädigt. Gott sei Dank war in dieser Zeit kein Menschenleben zu beklagen.
Stärker noch wurde bei Ickerner Angriffen der zu unserer Pfarrei gehörige Castroper Stadtteil Dingen betroffen. In auffallender Weise bleib der (unser) Friedhof verschont, als eine große Anzahl Bomben fielen, die der hinter dem Friedhof gelegenen Flakstellung zugedacht waren. Nicht weniger als sechs gewaltige Bombentrichter rings um den Friedhof. …Im Großen und Ganzen blieb unsere Pfarrgemeinde in Zeiten allergrößter Gefahr geradezu wunderbar verschont. Hätten all die zahlreichen Bomben, die auf unser Gebiet fielen, nicht ihr Ziel verfehlt bei dem ländlichen Charakter der Gemeinde, es wäre sicherlich vor allem Bodelschwingh in einen einzigen Trümmerhaufen verwandelt worden.
Bodelschwingh / Westerfilde 1945
Im März 1945 traf die Gemeinden die ganze schwere Wucht des Krieges. Es war 11.55 Uhr am 7. März 1945, als eine große Zahl alliierter Flugzeuge, nach dem Polizeibericht einen Bombenteppich von rund 350 Bomben auf Westerfilde warf und der ganze Ort in einem Augenblick ein Bild des Grauens wurde. Zirka 2000 Obdachlose, zahlreiche Todesopfer unter Einheimischen und Ausländern. Zum Glück konnten die vielen Obdachlosen in den bisher unversehrt gebliebenen Nachbarorten untergebracht werden.
Tags darauf, am 8. März 1945, auch wieder um die Mittagszeit, erfolgte wiederum ein Hauptangriff und zwar diesmal auf Bodelschwingh. Nach dem Polizeibericht sollen es 280 Bomben gewesen sein. Aber während Westerfilde mit seinen dicht zusammengedrängten Wohnvierteln zum größten Teil in Trümmern fiel, blieb Bodelschwingh wunderbarerweise fast völlig von großen Schäden verschont. Von allen Bomben traf nur eine einzige voll auf ein Haus hinter der katholischen Kirche. Eine weitere landete unmittelbar vor der Kirche, richtete aber nicht allzu großen Schaden an. Die meisten Bomben fielen in Gärten, auf Felder und Straßen um die Wohnhäuser herum. Aber kleine Bunker der Ostarbeiter wurden getroffen und so war wieder eine größere Anzahl von Toten zu beklagen. Im Ganzen belief sich die Zahl der Opfer auf über Hundert.
Dasselbe Verhängnis brach in diesen Tagen über den Ort Dingen herein. Bei allen weiteren Angriffen galt es denn, die vielen Opfer mit Mühe und Not in einer ruhigen Stunde zur letzten Ruhe zu betten. Eine würdige Trauerfeier am folgenden Sonntagnachmittag diente dazu, der so hart mitgenommenen Bevölkerung, die vielfach all ihr Hab und Gut verloren hatte, besonders aber den schwer getroffenen Angehörigen der Todesopfer wieder Mut und Trost zu geben.
Einen Monat später, Anfang April (vom 6. – 9.April gab es nach dem Sterberegister Todesopfer) wird Bodelschwingh der Schauplatz eines heftigen Kampfes. Mengede war inzwischen von amerikanischen Truppen fast kampflos eingenommen worden, doch in Bodelschwingh leisteten deutsche Fallschirmspringer und SS erbitterten Widerstand. Da es den deutschen Soldaten gelang, die schon in Bodelschwingh eingedrungenen Amerikaner wieder zurück zu werfen, lag bald der Ort unter starkem Artilleriefeuer von beiden Seiten (von deutscher Seite vom Haarstrang, von amerikanischer Seite von Mengede), so daß die Bevölkerung über acht Tage und Nächte in den Kellern zubringen mußte. Schließlich gelang es den Amerikanern doch, der Lage Herr zu werden.
Die Bevölkerung kam durch diesen nutzlosen Widerstand wieder zu großem Schaden. Was bisher noch von den Angriffen verschont geblieben war, das wurde zuletzt noch eine Beute dieses unsinnigen Kampfes. Die katholische Kirche in Bodelschwingh hat in diesen Tagen gelitten wie nie zuvor. Mindestens 12 Granaten hatten die Kirche verheerend mitgenommen. Das Dach war zum größten Teil ruiniert, fast sämtliche Fenster verschwunden, die noch vorhandenen schwer beschädigt, der St. Josef-Altar zerstört, das Gewölbe an einigen Stellen durchschossen, ein Hauptpfeiler bis auf eine Hälfte weggerissen. Die gesamte Kirche bot beim Betreten einen wüsten Anblick. …