Der Tag des Liedes war eine sehr lange Zeit ein fester Termin in den Kalendern der Menschen in Bodelschwingh und Westerfilde. Es war jedes Jahr ein bedeutendes Ereignis für die Akteure und für die Besucher. Die Zeit ist bedauerlicherweise vorbei. Erst konnte das Fest von den Akteuren nicht mehr „gestemmt“ werden, dann lösten sich nach und nach die Chöre mangels Nachwuchs auf. Einer der langjährigen Mitorganisatoren war Friedhelm Stolle vom Quartettverein Sangesfreunde Westhausen. Mit seinem Bericht möchte er dazu beitragen, dass der „Tag des Liedes“ nicht vergessen wird.
Eine Nachbetrachtung von Friedhelm Stolle.
Ja, den “Tag des Liedes“ im Schlosspark hat es wirklich gegeben!
Die älteren Einwohner von Bodelschwingh und Westerfilde werden sich immer am Himmelfahrtstag eines jeden Jahres gerne daran zurückerinnern, weil sie selbst Teilnehmer, Helfer oder auch ganz normale Zuhörer/Besucher waren.
Es war wohl der Bodelschwingher Lehrer Fritz Neuhaus – auch als Heimatkundler bekannt – der die Idee hatte, Kirchenchöre und Gesangvereine der beiden Dortmunder Ortsteile Bodelschwingh und Westerfilde im Bezirk Mengede zu einem Gemeinschaftskonzert zusammenzubringen.
Nun galt es, die Idee praktisch in die Tat umzusetzen.
Erste Gespräche mit den Repräsentanten des katholischen und des evangelischen Kirchenchores Bodelschwingh, des evangelischen Kirchenchores Westerfilde und der beiden Männergesangvereine MGV Frohsinn Bodelschwingh und des Quartettvereins Sangesfreunde Westhausen waren positiv.
Auf Initiative des Quartettvereins konnte man sich schnell auf das Datum eines solchen Konzerts einigen: es sollte der Feiertag Christi Himmelfahrt sein. Nur der Austragungsort musste noch gefunden werden. Zu der Jahreszeit konnte man auf trockenes Wetter hoffen und man favorisierte eine größere Lichtung im Schlosspark. Die Eigentümer des Parks, die Familie zu Knyphausen, gaben ihr Einverständnis und so konnte geplant und vorbereitet werden. Auch der Frauenchor Westerfilde schloss sich dem Gemeinschaftskonzert an und so konnte am Himmelfahrtstag 1977 um 11.15 Uhr der erste „Tag des Liedes“ im Schlosspark in vorher festgelegter Chor-Reihenfolge beginnen.
Der Erfolg überraschte uns alle und viele Zuhörer forderten, das Konzert im nächsten Jahr zu wiederholen. Aber „man könnte dabei auch schon mal ein Bierchen vertragen, eine Bratwurst und später ein Stück Kuchen essen und dabei eine Tasse Kaffee trinken“. Und die Kinder müssten unterhalten werden.
Jetzt war wieder der Arbeitskreis gefordert.
Die nächsten Organisationen sollten von den beteiligten Chören wechselweise übernommen werden. Ein Getränkestand musste her, eine Kuchentheke mit selbstgebackenem Kuchen und Waffeln und mit Kaffeeausgabe wurde aufgebaut. Das beinhaltete Wasser- und Stromanschluss und natürlich einen Toilettenwagen.
Die Pfadfinder aus Westerfilde wurden für die Kinderbetreuung gewonnen. Auch ein „RN“-Stand mit Lostrommel und Kinderfotos war gekommen. Doch die Wichtigsten, die Chöre, mussten weiterhin auf der Wiese stehen? Die Sängerinnen mit den schönen Schuhen wollten das nicht. Also wurde eine Bühne bestellt und aufgebaut und vor der Bühne viele Sitzbänke aufgestellt. Jetzt brauchten wir nur noch Personal für den Bierstand, den Kuchenstand, die Markenausgabe – es sollte nicht mit Bargeld bezahlt werden – und für den Toilettenwagen.
Vielleicht sogar eine Mikrofon-Tonübertragungsanlage? Kam später dazu. Der Aufbau all dieser Dinge musste natürlich schon einen Tag früher beginnen. Um einem möglichen Diebstahl vorzubeugen, musste eine Nachtwache gestellt werden. Die Lokalredaktionen der örtliche Presse besuchten uns regelmäßig denn es kamen mit erweitertem Programm immer mehr Zuhörer hierher: mit dem Mäusechor und Kinder- und Jugendchor der evangelischen Kirchengemeinde Westerfilde, der Gymnastikgruppe des Turnvereins Eintracht Bodelschwingh und dem Kolpingblasorchester der katholischen Kirchengemeinde Bodelschwingh, das nach dem offiziellen Teil zum Platzkonzert aufspielte. Auch aus den umliegenden Orten wie Castrop-Rauxel, Mengede, Huckarde, Eving und Waltrop kamen Fahrradgruppen zu uns, um hier mit uns den gleichfalls zu feiernden Vatertag zu begehen.
Eindrücke vom Tag des Liedes 1982, dem Jahr des 100-jährigen Jubiläums des MGV Frohsinn 1882 Dortmund-Bodelschwingh e.V.:
So wurde unser Tag des Liedes zu einem Treffpunkt für mehrere hundert Menschen in jedem Jahr. Vergessen sei natürlich nicht, dass die Arbeitsgemeinschaft es schaffte, zwar erst 1999, vor dem Tag des Liedes einen ökumenischen Gottesdienst schon um 10.00 Uhr gestalten zu lassen. Und das unter freiem Himmel. Alle Teilnehmer daran fanden das großartig. Bei dem 25. „Tag des Liedes“ im Schlosspark 2002 wurden aber auch schon die ersten Stimmen laut, dass die Belastungen am Tag selbst und am Tag vorher kaum noch zu leisten seien. Denn auch die aktiven Sänger und die Helfer waren 25 Jahre älter geworden – da fiel der Aufbau immer schwerer. Da aber auch schon damals, nicht erst heute, junge Leute nicht nur den politischen Parteien und Gewerkschaften sondern auch den Vereinen fern blieben, fehlte auch den Chören der Nachwuchs. Wir schafften es dennoch bis ins Jahr 2008 einunddreißig(!) Mal dieses Gemeinschaftskonzert mit dem gemütlichen Nachmittag durchzuführen. Die Personaldecke der Helfer war dann ausgeschöpft. Wir alle konnten die körperliche Belastung nicht mehr durchhalten. Wir mussten aufhören. Aus, Ende, Schluss?
Nach dem alten Sprichwort “Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“ sahen wir dieses Lichtlein mit dem Namen“ Heimatverein Mengede“. Der Geschäftsführer war Gerd Obermeit, wohnhaft in Westerfilde, mit vielen Kontakten. Ich brauchte keine Überredungskunst, um die Weiterführung des Gemeinschaftskonzerts in seine Hände zu legen. Mit neuen Ideen und anderen Personalkräften waren noch drei Konzerte bis zum 34. „Tag des Liedes“ im Schlosspark Bodelschwingh im Jahr 2011 gerettet. Danach war dann wirklich Schluss.
Eindrücke vom Tag des Liedes 2010
Mit ein wenig Stolz kann man rückblickend nur sagen: das haben die Sänger*innen mit den Helfern geschafft. Lasst uns diese mehr als drei Jahrzehnte nicht einfach vergessen!
Kurz vor Beginn des letzten Konzertes schlug ein Blitz in eine dicke Kastanie am Rande des Platzes. Der Stamm brach weit unten ab und wir fürchteten um unsere letzte Durchführung. Doch die Familie zu Knyphausen ermöglichte es, den abgespaltenen gewaltigen Stamm und die Krone noch rechtzeitig beiseite zu schaffen. Als Dank für die jahrelange Zurverfügungstellung des Platzes haben die Sangesfreunde Westhausen eine neue, junge Kastanie gespendet, eingepflanzt und jahrelang auch in trockenen Zeiten gewässert. Sie ist heute schon ein großer Baum.
Ausblick auf die Zukunft: Ohne Pessimismus glaube ich sagen zu können, dass mit den heutigen Auflagen des Ordnungsamtes, des Gesundheitsamtes und der gültigen Hygieneverordnung – natürlich sowieso nicht in der Coronakrise – eine solche Veranstaltung wohl kaum mehr möglich wäre.
Text: Friedhelm Stolle, Fotos von 1982: Nachlaß MGV Frohsinn
Vorwort und Fotos von 2010: Gerd Obermeit